Tut die Stadt Stuttgart genug, um Eltern von Kleinkindern ihren Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz zu erfüllen? In der Verhandlung vor dem VGH Mannheim ließ der Vorsitzende des 12. Senats kaum Zweifel daran, dass er von der Stadt eine aktivere Vermittlung von Kitaplätzen erwartet.

Stuttgart - Was müssen, was dürfen Eltern tun, um ihren Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz auch erfüllt zu bekommen? Und welchen Part muss dabei die Stadt Stuttgart übernehmen? Um diese Kernfragen und ihre Folgen ist es am Donnerstag bei der ersten Verhandlung dieser Art vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim gegangen. Und natürlich um den eigentlichen Streitgegenstand: nämlich die Frage, ob die Stadt die Mehrkosten für die Betreuung des kleinen Lukas (Name geändert) in einer teureren Privatkrippe zahlen muss: insgesamt 5620 Euro. Gegen ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart hatte die Stadt Berufung eingelegt.

 

„Es geht um einen Fall von weitreichender Bedeutung“, sagte Christoph Sennekamp, der Vorsitzende des 12. VGH-Senats. Bereits als der kleine Lukas zwei Monate alt war, hatten sich seine Eltern – beide voll berufstätig – um einen Krippenplatz bemüht, damit der Kleine als Einjähriger versorgt sei. „Ich hab unzählige Male beim Jugendamt nachgefragt – nicht nur wohnortnah, sondern quer durch die Stadt“, berichtete Lukas’ Papa vor Gericht. Alles vergebens. Schließlich fanden die Eltern einen Platz im deutlich teureren Early Bird Club. Doch die Stadt will die Mehrkosten nicht übernehmen. Sie bezahle ja den freien Trägern schon 68 Prozent der Betriebskosten, argumentierte deren Anwalt Jan Kepert, übrigens ungeachtet von deren Gebühren. Schließlich hätten die Eltern ja auch einen anderen, günstigeren Betreuungsplatz nehmen können, so Kepert.

Jugendamt: Freie Träger sind am Vergabesystem der Kitaplätze nicht beteiligt

Doch den Senatsvorsitzenden interessierte vor allem die Vergabepraxis der Stadt: „Welche Plätze waren grundsätzlich in das Vergabesystem der Stadt einbezogen?“ Heinrich Korn, Vizechef des Jugendamts, erläuterte, dass städtische Kitas kein zentrales Aufnahmesystem hätten und freie Träger, die insgesamt 60 Prozent der Kitaplätze anbieten, an dem Vergabesystem gar nicht beteiligt seien. „Wie hat die Stadt eine Verfügungsbefugnis über freie Träger?“, fragte Sennekamp.

Kepert machte deutlich, dass die Stadt die Rechtsauffassung habe, dass Eltern ihren Anspruch selber durchsetzen. „Rechtsanspruch kann doch nicht heißen: Kümmere dich selber“, meinte Lukas’ Anwalt Dieter Schenk. Ihm schloss sich auch der Vorsitzende an: „Was sollen denn die Eltern noch mehr machen?“ Und, an die Adresse der Stadt: „Warum haben Sie sich nicht in die Verhandlung gesetzt und gesagt: Wir haben einen Platz. Das hätten Sie doch anbieten können als Stadt Stuttgart.“

Richter: Englischangebot und Biokost in der Kita sind keine Luxusaufwendungen

Anwalt Kepert räumt ein: „Es war möglicherweise ein Fehler, das auf die städtischen Plätze zu begrenzen.“ Denn dort haben Lukas’ Eltern, weil weder sozial schwach noch allein erziehend, trotz Berufstätigkeit keinen Vorrang – bei einer Warteliste von 3000 Kindern. Doch eine Priorisierung nach sozialen Kriterien hilft beim Rechtsanspruch nicht weiter. Sennekamp sagt auch, von Luxusaufwendungen könne beim Early Bird Club trotz Englischangebot und Biokost nicht die Rede sein. Und den Einwand der Stadt, Tagespflege wäre günstiger, könne er „so pauschal“ nicht bestätigen, so Sennekamp. Jetzt ist Lukas fast fünf und seit fast zwei Jahren in einer städtischen Kita. Das VGH-Urteil soll am 14. Dezember verkündet werden.