Der türkische Präsident darf im Rahmen öffentlicher Kundgebungen „Terrorist“ genannt werden. Das entschied der Verwaltungsgerichtshof Mannheim.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm/Mannheim - Bei einer genehmigten Kundgebung dürfen kurdische Demonstranten „Erdogan Terrorist“ und „Türkei Terrorist“ rufen. Das hat am Montag der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim per Eilentscheidung festgestellt. Der Anlass war eine für den selben Abend angemeldete Demonstration in der Ulmer Innenstadt. Damit ist die Stadtverwaltung mit ihrem Versuch gescheitert, solche Ausrufe unter Strafe zu stellen.

 

Anfang Februar waren Mitglieder des „Kurdistan Informations- und Kulturvereins Ulm“ gegen Bombardements der überwiegend von Kurden bewohnten Stadt Cizre in Südanatolien durch türkisches Militär auf die Straße gegangen. Im Vorfeld hatte die Stadtverwaltung jedoch unter anderem Schmähungen des türkischen Präsidenten Erdogan oder Parolen für den PKK-Chef Abdullah Öcalan untersagt. Aus der etwa 50-köpfigen Gruppe der Demonstranten heraus wurde Öcalan vereinzelt dann doch gepriesen. Polizisten in der Nähe der Kundgebung registrierten zudem die Ausrufe „Erdogan Terrorist“ und „Türkei Terrorist“. Sofort wurden Personalien aufgenommen.

Strafbefehl über 1200 Euro

Dann stellte die Verwaltung dem kurdischstämmigen Kundgebungsleiter einen Strafbefehl über 1200 Euro zu. Er habe es unterlassen, die Ausrufe zu unterbinden. Der Mann hat Rechtsmittel gegen den Bescheid eingelegt, voraussichtlich im November verhandelt das Ulmer Amtsgericht. Empörte Bürger um den Ulmer Gerhard Schönfeld aber sprangen den Kurden bei und gründeten ein „Komitee gegen den Ulmer Strafbefehl“. Die Öcalan-Parolen fielen wohl unter das deutsche PKK-Verbot, jedoch Erdogan als Terroristen zu bezeichnen, sei durch die Meinungsfreiheit in Deutschland gedeckt, so Schönfeld. Er meldete seinerseits eine Kundgebung für den 25. Juli in der Ulmer Innenstadt an – und bekam denselben Auflagenkatalog aus dem Rathaus geschickt. Dagegen klagte der Unterstützerkreis beim Verwaltungsgericht Sigmaringen.

Am Donnerstag gaben zunächst die Sigmaringer Richter den Klägern Recht. Die versammlungsrechtlichen Auflagen, den Präsidenten Erdogan betreffend, seien nicht haltbar, so der Entscheid. Die Stadt Ulm legte dagegen am Freitag Widerspruch beim VGH ein. Unter anderem berief sich das Rathaus auf Paragraf 103 des Strafgesetzbuches, das die Beleidigung eines Staatsoberhauptes verbietet. Am Montag Vormittag verwarf der VGH die Beschwerde der Stadtverwaltung. Erdogan einen Terroristen zu nennen, sei durch das Recht der freien Meinung gedeckt, so ein Sprecher. Zudem habe es die Stadt in ihrem Anordnungstext versäumt, ihre Ermessensentscheidung zu begründen.

Alles ruhig bei der Demo am Abend

Bei der Kundgebung am Montag Abend versammelten sich in der Ulmer Fußgängerzone rund 40 Demonstranten. „Wir dürften heute sagen, was Erdogan ist: ein Terrorist“, rief Gerhard Schönfeld unter Applaus. Die Polizei verfolgte die Demonstration mit starken Kräften. Bis auf einige heftige Wortwechsel mit Passanten kam es bis zum Veranstaltungsende zu keinen Zwischenfällen.