„Die Medienforscher überbieten sich in Prognosen, wann die letzte gedruckte Zeitung erscheinen wird. Ich bin nicht so pessimistisch“, stellt Tobias Köhler klar. Der StZ-Online-Chef diskutierte in der Stuttgarter VHS über die neuen Medien im Journalismus.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - „Wir erreichen heute mehr Leser als jemals zuvor, denn es gibt die Stuttgarter Zeitung auf vielen Verbreitungskanälen.“ Mit diesen Worten beschrieb Tobias Köhler, Ressortleiter Online bei der Stuttgarter Zeitung, am Mittwochabend im Theoder-Bäuerle-Saal der Stuttgarter Volkshochschule (VHS) das Zusammenspiel von elektronischen Medien und gedruckter Zeitung. „Ein sehr spannendes Thema“, wie die Moderatorin, die VHS-Fachbereichsleiterin Rebecca Frey, hervorhob. Köhler war der Referent des vierten Abends innerhalb der Veranstaltungsreihe Pressecafé der VHS und der Stuttgarter Zeitung.

 

„Die Medienforscher überbieten sich in Prognosen, wann die letzte gedruckte Zeitung erscheinen wird. Ich bin nicht so pessimistisch“, stellte Köhler klar. Nicht nur das Interesse seiner siebenjährigen Töchter an der Print-Ausgabe bestärke ihn darin, sondern auch das Experiment eines Verlages in den Südstaaten der USA. „Die haben ihre Print-Version eingestellt und alle Energie in eine Online-Ausgabe investiert. Nach einem halben Jahr haben sie ihre Zeitung wieder gedruckt“, berichtete Köhler. „Dennoch müssen wir ständig experimentieren und ausprobieren, wie wir die Zeitung noch besser machen können“, erklärte er. Dazu gehöre natürlich auch das Angebot auf den anderen Verbreitungskanälen. „Wir versuchen, die Basis zu vergrößern.“

Neben der Website gibt es die App für das Smartphone sowie verschiedene Spezialangebote wie die Wander-App, die VfB-App oder die Besen-App. Die Leser können sich auch ein E-Paper-Abonnement bestellen und bekommen darüber, unabhängig von ihrem Wohnort oder Stadtteil, in dem sie leben, alle Ausgaben der Stuttgarter Zeitung. Derzeit wird außerdem an einer eigenen Version für das iPad mit zusätzlichen Inhalten getüftelt. „Mein persönliches Steckenpferd sind die sozialen Netzwerke“, gestand Köhler. Auf Facebook und Twitter ist die Stuttgarter Zeitung ebenfalls unterwegs. Auf Facebook gibt es 17 500 User, auf Twitter sind es 10 000. „Da bekommt man sofort ein Feedback. Das ist das Schöne daran.“ Die verschiedenen Kanäle sprechen unterschiedliche Altersgruppen an: Die Print-Version wird eher von den älteren Lesern bevorzugt, die Website von den Menschen Anfang 40 und darüber. „Auf Facebook erreichen wir auch die Leute zwischen 20 und 30“, analysierte Köhler.

Finanzierung der digitalen Angebote

Einer der Zuhörer im voll besetzten Saal interessierte sich für die Unterschiede zwischen der gedruckten Ausgabe und der Website. „Dort sind die Themen ständig in Bewegung. Alle zwei Stunden wird geändert“, berichtete Köhler. „Wir bauen die Website 20- bis 30-mal am Tag um.“ Neben den 60 bis 80 Meldungen, die die sechs Online-Redakteure täglich verfassen, kommen auch die Artikel der rund 150 Kollegen aus dem Print-Bereich hinzu. Diese werden von den Autoren für die Website eigens aufbereitet. „Wenn da ein sehr aktuelles Thema dabei ist, stellen wir es sofort online“, erklärt Köhler.

Ein User der Website kritisierte, dass das Weltgeschehen erst ganz am Schluss auftauche. „Sie sind in meinem digitalen Zeitungsordner deshalb nur auf Platz vier“, sagte er. „Die Nachrichten der Agenturen hat jeder, und wir gehen davon aus, dass unsere eigenen Inhalte aus dem Lokalen, der Region und Baden-Württemberg wichtiger sind“, konterte der Online-Chef. Tatsächlich werde aber darüber diskutiert, künftig das Weltgeschehen mehr in den Vordergrund zu rücken: „Wenn die Russen auf der Krim einmarschieren, ist das einfach das Wichtigste“, sagte Köhler.

Mehrere Besucher des VHS-Pressecafés machten sich Gedanken über die Finanzierung der digitalen Angebote, die bisher für die Nutzer gratis sind. „Warum sollen Online-Journalisten umsonst arbeiten“, fragte ein Mann aus dem Publikum. Köhler konnte ihn beruhigen: „Ich bekomme jeden Monat ein Gehalt.“ Das Angebot finanziert sich bisher aus Werbung und speziellen Angeboten. Mehrere Zuhörer sorgten sich darum, dass die gedruckte Zeitung ein Auslaufmodell sei. „Ich glaube nicht, dass es im Jahr 2034 keine Zeitung mehr gibt. Die Frage ist allerdings: Wie sieht sie dann aus“, schloss Köhler.

Zur Person

Tobias Köhler, Jahrgang 1972, leitet das Online-Ressort. Er ist für die digitalen Kanäle – Website, Mobilangebot, Social-Media-Auftritte - der StZ verantwortlich. Nach zehn Jahren als Mitarbeiter der Sportredaktion und freier Autor unter anderem für die „Süddeutsche Zeitung“ und verschiedene Magazine ist er seit 2000 Redakteur der StZ. Dort betreute er zunächst die IT-Themen, bevor er 2001 als stellvertretender Ressortleiter Stuttgart die Berichterstattung im Lokalteil organisierte und mitverantwortete. In seiner jetzigen Position kümmert er sich vor allem um die Weiterentwicklung der digitalen Ausgaben der StZ – und schätzt die Möglichkeiten von Facebook, Twitter und Co., um Leser und User in die Berichterstattung einzubeziehen.