Patientenverfügung, Sterbebegleitung und Pflegeheim – wer entscheidet auf dem letzten Weg? Darüber sprach der Lokalredakteur Martin Haar beim VHS-Pressecafé.

Stuttgart - Patientenverfügung, Sterbebegleitung und Pflegeheim – das sind keine einfachen Themen. Dennoch kamen rund 50 Interessierte in den Treffpunkt Rotebühlplatz zum VHS-Pressecafé der Reihe „Stuttgarter Zeitung direkt“, wo der Lokalredakteur Martin Haar über „Wer entscheidet auf dem letzten Weg?“ sprach. Mit dabei: die Ärztin Katrin Gebicke, Koordinatorin des Palliativ-Netzwerks Stuttgart. Direkt stieg Haar ins Thema ein: „Wollen Sie eigentlich über Leben und Tod entscheiden?“ fragte er und erklärte, dass eigene Erfahrungen gezeigt hätten, wie wichtig eine Patientenverfügung sei.

 

„Nach Umfragen haben 88 Prozent der Menschen in Altenheimen keine. Und wenn, dann welche, die nicht aussagekräftig, belastbar oder verlässlich sind“, so Haar. Er berichtete von einem jungen Mann, der verfügt hatte, niemals künstlich beatmet werden zu wollen. Als er dann wegen eines Schwelbrands eine Rauchgasvergiftung erlitt, beatmete ihn der Arzt dennoch, sonst hätte sein Gehirn bleibende Schäden erlitten. „Der junge Mann war gottfroh, dass der Arzt das tat. Er wurde wieder gesund. Er hatte seine Verfügung anders geschrieben, als er es gemeint hatte“, erzählte Haar. Je dezidierter diese sei, desto besser. Dabei seien Angehörige wichtige Gesprächspartner, bestätigte Karin Gebicke. Sie könnten mitteilen, was der bewusstlose Patient gerne gehabt hätte, wie er bisher lebte, welche Wünsche er oder sie habe. Dazu gehörten auch religiöse und ethische Vorstellungen – oder Vorlieben. „Mir sagte neulich eine Frau, dass es für sie Horror wäre, Kamillentee eingeflößt zu bekommen“, ergänzte der Journalist, bevor er unterschiedliche Begriffe definierte.

Eine Vorsorgevollmacht kann auch handschriftlich sein

Eine Patientenverfügung sei eine Willenserklärung, die eintrete, wenn der Patient sich nicht mehr äußern kann. „Eine Vorsorgevollmacht wiederum ermächtigt einen Dritten anstelle des Patienten zu entscheiden.“ Voraussetzung sei, dass der Vollmachtgeber uneingeschränktes Vertrauen zum Bevollmächtigten habe. Ein Notar sei mitunter bei Bankgeschäften nötig. „Aber eine Vorsorgevollmacht ist auch ohne Notar gültig, kann ab 18 Jahren gemacht werden – und handschriftlich sein. Auch mehrere Leute könnten bevollmächtigt werden“, erklärte er.

Ratsam könne sein, eine Betreuungsverfügung zu hinterlegen. Darin wird dem Betreuungsgericht ein gesetzlicher Vertreter vorgeschlagen. „Hier kontrolliert das Gericht den Betreuer, er muss Nachweise bringen“, erläuterte Gebicke. Sie beschrieb zudem eine neue Form der gesundheitlichen Vorsorgeplanung für die letzte Lebensphase, die aus dem Angelsächsischen nach Deutschland schwappt: Advanced Care Planning. „In Heimen werden regelmäßig Gespräche geführt, die aktuelle Gesundheitssituation beurteilt. Die Bandbreite der Eventualitäten sind bei jungen Menschen natürlich größer als bei älteren.“ Sie riet daher, die Patientenverfügung immer wieder aktuell anzupassen, zu datieren und zu unterschreiben. Sie habe zwar kein Verfallsdatum. „Aber es ist gut, wenn das letzte Datum nicht länger als ein halbes Jahr zurückliegt.“ Klar sei aber auch, dass man nie jedes Detail vorausahnen kann.

Vordrucke gibt es viele für Patientenverfügungen

Wie die Ärzte darauf reagierten, trieb vor allem die Zuhörer um. Auf die Frage eines Mannes, der nach zwei Wochen Koma die Maschinen abgeschaltet haben will und befürchtet, dass die Ärzte dem nicht folgen, erklärte sie, dass das eine Straftat sei, dann die Gerichte ran müssten. „Das ermöglicht die Patientenverfügung.“ Der beste Weg sei daher immer, dass alle zusammen das Vorgehen klärten, Angehörige, Pfleger, Hausarzt, Ärzte in der Klinik. Bei Uneinigkeit gebe es in vielen Krankenhäusern auch Ethik-Komitees. „Aus einem Koma kann man auch erwachen“, machte sie klar. Vordrucke gebe es viele für Patientenverfügungen: im Netz, bei Behörden, Vereinen. Aber jeder sei anders, deshalb sollte man möglichst genau seinen Willen formulieren, riet sie. „In ihrem Fall etwa mit dem Zusatz, nach 14-tägigem Koma ohne Wahrscheinlichkeit auf Besserung.“