In der Reihe Stuttgarter Zeitung direkt hat der StZ-Redakteur Thomas Faltin über die Gedenkstätte Hotel Silber gesprochen und wie sie gegen den Verdruss über Nazi-Themen wirken kann.

Stuttgart - Die Zellentüre zeigt tiefe Kratzer und Namen. Der Flur, in dem sich Zimmer an Zimmer reiht, erzählt von teuflischer Bürokratie, in der Menschen an Schreibtischen Täter waren. „Dort wurden die Todesurteile unterschrieben, die wenigsten haben selbst Hand angelegt, im Keller wurden Verhöre geführt, erst gegen Kriegsende wurden auch im Hotel Silber Menschen umgebracht“, erläutert Thomas Faltin. Der StZ-Redakteur spricht im Pressecafé der Volkshochschule in der Reihe Stuttgarter Zeitung direkt über das Hotel Silber. In der ehemaligen Gestapo-Zentrale für Württemberg und Hohenzollern wird – vermutlich 2017 – eine Gedenkstätte eröffnet werden. Aber Faltin berichtet auch, dass zunehmend Menschen der Nazi-Geschichte überdrüssig sind.

 

Ein Thema, das einen Nerv trifft: Der Robert-Bosch-Saal ist übervoll. Gekommen sind auch Mitglieder der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber. Sie fand sich 2008 zusammen, als das Hotel abgerissen werden sollte für das Dorotheen Quartier, das derzeit gebaut wird. Sie erreichten, dass nach der Landtagswahl 2011 die neue Regierung zusagte, das Gebäude zu erhalten. Zwei Jahre später einigten sich Stadt und Land, den Lern- und Gedenkort in einem Viertel der Fläche zu finanzieren. „Die Betriebskosten von 560 000 Euro tragen Land und Stadt je zur Hälfte“, so Faltin. Die Stadt habe mitgemacht, nachdem das Land zusagte, die Miete zu übernehmen. Die liege wohl bei 150 000 Euro im Jahr – zu zahlen an den Eigentümer, die Baden-Württemberg Stiftung. „Die Gedenkstätte ist eine Dependance des Hauses der Geschichte, zwei Mitarbeiter sind dort für das Hotel Silber zuständig.“ Novum und einzigartig in Deutschland sei, dass auch die Bürgerinitiative, in der zurzeit 23 Initiativen und Vereine zusammengeschlossen sind, weiterhin dabei sei. Sie bekommt in der Gedenkstätte einen eigenen Raum, die Mitglieder bestimmen das Programm mit.

Die Zeitzeugen sterben aus

Faltin sieht den Lernort nicht nur als Zugpferd für andere Gedenkstätten. Das Hotel Silber könne auch gegen den Verdruss an Nazi-Themen und Antisemitismus wirken, so der Journalist und promovierte Historiker. Denn schockierend sei, dass nach der Studie zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit der Universität Bielefeld fast 49 Prozent der Deutschen der Aussage zustimmten, Juden versuchten heute Vorteile zu ziehen, weil sie in der Nazizeit Opfer gewesen seien. In Ungarn glauben dies 68 Prozent, in Polen gar 72 Prozent. „Im Hotel Silber geht es gerade auch um den inneren Terror und die Täter“, sagt Faltin. Und: „Zunehmend sterben die Zeitzeugen aus.“ Also müssten dort die Jugendlichen abgeholt werden, indem man zeitgemäße Medien nutze und Emotionen wecke. „Man muss an aktuelle und persönliche Ereignisse anknüpfen wie beispielsweise jetzt die Flüchtlingsdebatte.“