Die SPD im Gemeinderat will den Bahnhofsvorplatz überwachen lassen, um die Kriminalität dort zu bekämpfen. Bei der Polizei sieht man jedoch keinen Handlungsbedarf.

Bietigheim-Bissingen - Es muss nicht erst etwas passieren, bevor etwas passiert.“ So steht es in dem Antrag der SPD-Fraktion im Gemeinderat von Bietigheim-Bissingen. Mit diesem jüngst eingebrachten Papier fordert sie die Verwaltung auf, zu prüfen, ob eine Videoüberwachung rund um den Bahnhof möglich ist. Derzeit sei das „republikweit ein Thema“, sagt der Fraktionschef Volker Müller und führt Fälle in Berlin und Mannheim an, bei denen Videoaufzeichnungen dabei halfen, einen Täter dingfest zu machen. Zwar habe es in Bietigheim noch keine Vorfälle wie den U-Bahn-Treter gegeben, „aber es ist unumstritten, dass der Bahnhof nicht gerade eine Aufenthaltsqualität für Jedermann bietet“.

 

Rechtlich ist das aber nicht das entscheidende Kriterium. Um eine Videoüberwachung eines öffentlichen Platzes zu rechtfertigen, muss es sich um einen Kriminalitätsschwerpunkt handeln. „Die Hürden hierfür sind sehr hoch“, sagt Peter Widenhorn, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Ludwigsburg. So muss sich die Kriminalitätsbelastung deutlich von der an anderen Orten der Kommune abheben. Es muss zudem abzusehen sein, dass auch in Zukunft weitere Straftaten begangen werden könnten, zu deren Verhinderung eine Videoüberwachung beitragen könnte.

Der Landkreis hat keinen Kriminalitätsschwerpunkt

Laut Widenhorn gibt es im ganzen Kreis Ludwigsburg keinen solchen Kriminalitätsschwerpunkt. Der Bahnhof und auch der Bahnhofsvorplatz in Bietigheim seien auch keine Orte, die dafür in Frage kämen: Insgesamt 94 Straftaten rund um den Bahnhof zählt die Landespolizei jeweils für die Jahre 2015 und 2014, etwa die Hälfte davon waren Diebstähle. Auf dem Bahnhofsgelände selbst ist die Bundespolizei zuständig. Diese zählt für das Jahr 2015 genau 167 Straftaten, wobei 144 davon in die Kategorie Sachbeschädigung fallen. „Die Masse der Sachbeschädigungen dort resultiert aus Grafitti am Abstellbahnhof“, erklärt Daniel Kroh, ein Sprecher der Bundespolizei. In Bietigheim hat die S-Bahnlinie 5 ihren letzten Halt, die über Nacht dort stehenden Bahnen sind ein beliebtes Ziel für Sprayer.

Bei der Stadt hält man sich erst einmal bedeckt: „Der Antrag wird eingebracht, nun prüfen wir zusammen mit der Polizei, ob eine Videoüberwachung möglich ist“, sagt die Sprecherin Anette Hochmuth. Bislang habe der Revierleiter in Bietigheim die Kriminalstatistik noch nicht im Gemeinderat vorgestellt. Das solle aber im Frühjahr noch passieren, sagt Hochmuth.

Ludwigsburg hat eine Videoüberwachung

Eine Nachfrage beim Revierleiter Guido Passaro ergibt: Die Kriminalität ist nach Wahrnehmung der Beamten in Bietigheim über dem Durchschnitt, „aber weit davon entfernt, ein Kriminalitätsschwerpunkt im Sinne der gesetzlichen Vorgaben zu sein“, sagt Passaro. Im April will er die Kriminalitätsstatistik des vergangenen Jahres im Gemeinderat vorstellen. Für eine Bewertung der Verbrechensschwere und -häufigkeit ziehe man aber einen Fünfjahresvergleich zu Rate. Rund um den Bahnhof in Bietigheim ist es laut Passaro aber „nicht spürbar mehr“ geworden.

In der Stadt Ludwigsburg gibt es seit knapp einem Monat eine Videoüberwachung im und vor dem Bahnhof. Hier gilt allerdings nicht die Voraussetzung eines Kriminalitätsschwerpunkts, denn das Gebäude ist in Privatbesitz der Betreibergesellschaft Doba Vermietung und Services. Diese hat dort und am nördlichen Parkhaus 21 Kameras installiert.