Wie groß die Schäden nach der Sprengung in Viersen am Niederrhein sind, ist noch unklar. Verletzt wurde niemand.

Viersen - Kleine blaue Kinderpullover baumeln aufgereiht unter freiem Nachthimmel, daneben reihenweise rote Söckchen. Dem Geschäft für Kindermoden in der Fußgängerzone des niederrheinischen Viersen fehlen die Rückseite und ein Teil des Daches. Dafür klafft dort ein drei Meter tiefer Krater. An der Vorderseite in der Fußgängerzone sind die Schaufensterscheiben geborsten. Soeben ist dort mit gut 67 Jahren Verspätung eine amerikanische Fünf-Zentner-Fliegerbombe mit extrem gefährlichem Säurezünder explodiert. Es war eine kontrollierte Sprengung.

 

Die Fassaden der umliegenden Häuser sind voller Dreck bis hoch aufs Dach, etliche Dachziegeln und Fensterscheiben liegen dagegen zertrümmert in der Tiefe. 30 Kubikmeter Erdreich hatten die Kampfmittelexperten auf die Bombe geworfen und sich dabei in große Gefahr begeben. Die Erde liegt nun wie ein Teppich über der Umgebung. Der Säurezünder hatte den Abtransport der Bombe oder die Entschärfung vor Ort unmöglich gemacht. Es ist eine baugleiche Bombe wie die, die in München Ende August so großen Schaden verursacht hat.

Die Bombe wurde auf einer Baustelle gefunden. Dort hängt ein Großplakat, das am Dienstag, dem Tag nach der Explosion, wirkt wie Galgenhumor: „Wir erweitern für Sie die Kinderstube“. Teile der Ladenpassage müssen nun abgerissen und neu gebaut werden.

Schäden waren nicht zu vermeiden

Viersens Bürgermeister Günter Thönnessen (SPD) steht am Kraterrand: „Ich bin gerade aus der Ukraine gekommen und am Flughafen gelandet, als ich den Anruf erhielt und bin sofort hierher gerast. Das ist relativ glimpflich abgegangen.“ „Niemand verletzt“, das ist ein Erfolg der 900 Einsatzkräfte, die die Innenstadt evakuiert und abgeriegelt hatten.

„Schäden waren nicht zu vermeiden. Aber ich bin schon ein bisschen traurig, dass so viel kaputt gegangen ist“, sagt Dieter Daenecke, Leiter der Sprengung. Die kontrollierte Explosion der Bombe vor Ort sei unvermeidlich gewesen: „Da gibt es klare Anweisungen des Innenministeriums. Es gab beim Bewegen dieser Bomben schon mehrere tödliche Unfälle, zuletzt drei Tote in Göttingen 2010.“

Die Bombe sei von den Bauarbeitern relativ stark bewegt worden und in eine Grube gerutscht, als sie auf den Blindgänger stießen. „Daher mussten wir davon ausgehen, dass der Langzeitzünder in Gang gesetzt wurde.“ Ein besonders tückischer Zünder: „Die Zünddauer liegt irgendwo zwischen 30 Minuten und 144 Stunden.“ Die Evakuierung sei also dringend notwendig gewesen. Beim Anbringen der zwei Zündladungen, die um 23.06 Uhr ferngezündet wurden, waren die Kampfmittelexperten bereits in akuter Gefahr.

Im Gegensatz zur Explosion in München bleiben die Nachbarhäuser in Viersen von Bränden verschont. Tausende können gegen Mitternacht zurück in ihre Wohnungem im 500-Meter-Radius um den Explosionsort. Am Dienstagmittag dann die gute Nachricht: Keine Wohnung ist unbewohnbar, niemand obdachlos geworden. Dafür gibt es Gesprächsbedarf mit den Gebäudeversicherern. Derweil schaufelt sich ein Anwohner den Weg zu seiner Eingangstür frei.