Wer in den Urlaub fährt, freut sich meist auf die landestypischen Speisen. Doch auch wer daheim bleibt, kann kulinarisch verreisen. Wohin, davon erzählt unsere Sommerserie. Diesmal: die vietnamesische Küche im Vereinslokal des TSV Birkach.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Schönberg - In dieser Küche herrscht die Koexistenz von Frühlingsrolle und Flädlessuppe, von Rinderroulade und Pho Bo – einer Art vietnamesischem Nationalgericht in Form einer Suppe mit Rindfleisch. Dort wird sie zu jeder Tages-und Nachtzeit gegessen. Bich Lien Pham, die Pächterin der Gaststätte Ramsbachtal des Turn-und Sportvereins Birkach an der Taldorfer Straße 59 weiß, wovon sie spricht: Sie ist im Norden des südostasiatischen Staates aufgewachsen und hat ihr ganzes Leben lang gekocht, sagt sie lächelnd. Im März hat die gelernte Köchin die Gaststätte übernommen und alles in hellen freundlichen Farben streichen lassen. Von der Decke im Gastraum baumeln ihre hängenden Gärten mit allerlei beleuchteten Zimmerpflanzen und jetzt im Sommer lockt die überdachte Terrasse.

 

Im April konnte sie den vietnamesischen Koch Tuan Anh Nguyen ins Ramsbachtal locken. Er hatte zuvor ein eigenes Restaurant in Tschechien. Er ist für alle asiatischen Gerichte zuständig, die in der TSV-Gaststätte geordert werden, und mit dem Franzosen Yan Aggar steht für die deutsche Küche ein echter Maître de Cuisine an den Töpfen.

Die Marinade ist Betriebsgeheimnis

Nguyen schneidet mit einem stattlichen chinesischen Kochmesser, das einem Hackbeil ähnelt, zartes argentinisches Rinderhüftsteak in feine kleine Scheibchen. Das macht er, bevor der große Ansturm kommt, denn wenn erst die Bestellungen in der Küche einlaufen, ist dazu keine Zeit mehr. Für bestimmte Gerichte muss er das Fleisch außerdem noch marinieren. Womit? Das ist Betriebsgeheimnis.

Nguyen ist nur abends da. Vormittags büffelt er Deutsch. Die Verständigung zwischen ihm und dem Franzosen Aggar läuft noch mit Zeichen und Blicken. Das klappt, schließlich sind beide Köche und erkennen schnell, wo es klemmt. „Wir kooperieren“, sagt Aggar. Aber über die zwei Wandborde mit Gewürzen zieht sich eine magische Grenze – zwischen Fisch- und Sojasoße, Ingwer, Chili und Kurkuma einerseits und Essig, Olivenöl, Majoran und Kümmel andererseits. „Wir verwenden nie die Gewürze des anderen“, sagt die Wirtin – wie immer mit einem Lächeln.

Mittags kocht die Chefin selbst die asiatischen Gerichte. Zwölf Jahre war Bich Lien Pham Köchin im Steakhouse Maredo in der Stuttgarter Innenstadt. Die Sportgaststätte ist ihr erstes eigenes Restaurant, und gerade ist sie dabei, die Speisekarte umzustellen. „Ich will mehr vietnamesische Gerichte anbieten. Die werden sehr viel verlangt.“ Der imposante Fleischberg auf dem Schneidbrett von Nguyen ist jetzt in Streifen geschnitten, und der Koch gibt sie zum Marinieren in eine Edelstahlwanne, verschließt alles mit Folie und notiert das Datum am Rand, bevor das Fleisch in die Kühlung kommt.

Kontakt zu den Gästen ist der Wirtin wichtig

Die beiden Paare, die auf der Terrasse sitzen, haben sich für Frühlingsrollen als Vorspeise entschieden. Nguyen frittiert sie in kochend heißem Fett. „Wir machen alles frisch. Es gibt hier keine Konserven“, erklärt die Chefin, die immer wieder zwischen Gastraum und Theke pendelt, obwohl dort zwei Mitarbeiterinnen für den Service zuständig sind. Aber die Wirtin legt Wert auf den Kontakt zu ihren Gästen. Mittags kommen viele aus Büros und Werkstätten im Bezirk und natürlich ist die Gaststätte ein Anlaufpunkt für die Spaziergänger im Ramsbachtal. Zur Frühlingsrolle stellt Nguyen ein Schälchen mit einem selbst gemixten Dip aus Fischsauce auf die weiße quadratische Porzellanplatte, obenauf liegen Korianderblättchen – wie die anderen frischen Gewürze sind auch sie aus dem Kräutergarten der Wirtin. Dazu werden den Gästen Stäbchen gereicht. „Wer damit nicht essen kann, bekommt auch normales Besteck“, beschwichtigt der französische Kollege.

Auch die Amerikaner, die an der unweit vom Restaurant entfernten Universität Hohenheim tätig sind, ordern vietnamesisch. „Bo xao sa ot“ steht auf dem Kassenbon und Nguyen holt dafür den Wok aus dem Schrank. Auch für dieses Gericht benötigt er Rindfleisch. Das bezieht Bich Lien Pham ausschließlich aus Argentinien. „Ich verwende kein billiges Fleisch aus dem Supermarkt“, betont sie. Die Gasflamme schlägt hoch, als die Fleischstreifen scharf angebraten werden und der Koch konzentriert und wegen der Hitze die Augen zusammenkneift.

Wie schneeweiße Linguine

Asiatische Küche braucht viel Vorbereitungszeit, die Gerichte jedoch sind rasch zubereitet. So auch Bo xao sa ot, das gleich viermal über den Tresen geht: Unten in den tiefen Teller kommt – nicht zu fein – geschnittener Eisbergsalat, darauf Karotten und Kräuter aus dem Garten hinter dem Haus, dann das Fleisch und Sojasprossen. Die Reisnudeln, die wie schneeweiße Linguine aussehen, werden in einem Spitzsieb nur ganz kurz ins heiße Wasser getaucht – schon sind sie fertig. Nguyen drapiert sie seitlich am Teller.

Das Gericht wäre nicht fertig ohne ein Schälchen fein geschnittene Chilischoten. Die gibt es in Vietnam immer extra, zum selbst Dosieren. „Auch bei uns wollen es nicht alle Leute so scharf“, sagt Bich Lien Pham. Demnächst werden auch Vegetarier bei ihr fündig, denn sie wird jetzt auch fleischlose vietnamesische Gerichte anbieten. Zum Abschluss rundet für Vegetarier wie andere ein Nep Moi, ein Reisschnaps, die kulinarische Fernreise ab.