Der Mieterverein kritisiert, dass die Stadt Stuttgart beim Kauf der Villa Berg nicht auf den Bau günstiger Wohnungen bestanden hat. Zudem hinkt die Stadt den eigenen Zielen beim sozialen Wohnungsbau deutlich hinterher.

Stuttgart - Es wird Kritik laut, dass neben der Villa Berg allein frei finanzierte und somit mutmaßlich teure Wohnungen und keine öffentlich bezuschussten und damit günstige Einheiten gebaut werden sollen. Während der Stuttgarter Mieterverein einen Präzedenzfall wähnt, sieht sich etwa die CDU-Fraktion in ihrer Position bestätigt. Indes hinkt die Stadt hinter ihren selbst gesteckten Zielen im geförderten Wohnungsbau weit zurück.

 

Rund 40 Wohnungen sollen einmal am Rand des Parks der Villa Berg stehen. Das ist Teil der Abmachung zwischen Stadtverwaltung und Investor. Dass die Düsseldorfer Firma PDI (Property Development Investors) sich dort allerdings nicht nach dem Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM) richten muss, ist ebenso ein Ergebnis der Verhandlungen über den Kauf der Villa durch die Stadt.

Mieterverein befürchtet einen Präzedenzfall

„Ab 20 neuen Wohnungen muss SIM eigentlich greifen“, sagt der Chef des Stuttgarter Mietervereins, Rolf Gaßmann. Die Ausnahme von der Regel mache das Modell löchrig, so Gaßmann weiter. „Jetzt wird jeder Investor einen Grund vorbringen, weshalb ausgerechnet er vom Bau von geförderten Wohnungen und von Sozialwohnungen ausgenommen werden müsse“, so der Vereinsvorsitzende. Zudem seien die Erfolge, die die Stadt beim sozialen Wohnungsbau vorzuweisen habe, dürftig, urteilt Gaßmann. „In einer solchen Situation dürfe es erst recht keine Ausnahmen geben“, sagt der Vorsitzende. Aus seiner Sicht sei dem Bau reiner „Reichenquartieren“ nun Tür und Tor geöffnet. „Der Verzicht auf die vorgeschriebenen Sozialwohnungen an der Villa Berg wird Nachahmer finden“, ist sich Gaßmann sicher.

Im Gegensatz zum Mieterverein kann der Fraktionsvorsitzende der CDU im Gemeinderat, Alexander Kotz, gut mit dem Verzicht auf die geförderten Wohnungen leben. „Man kann das Modell ohnehin nicht auf jedes freie Grundstück in Stuttgart anwenden“, sagt er. Abgesehen von den Vorgaben durch SIM sei es an dieser Stelle sinnvoll, nicht noch weitere Sozialwohnungen zu bauen. „Davon gibt es in der Nachbarschaft der Villa Berg bereits heute sehr viele“, sagt Kotz. „Es wird andere Baugebiete geben, wo wir uns hingegen 80 Prozent geförderte Wohnungen vorstellen können.“ Das sei jeweils von der sozialen Mischung des Quartiers abhängig.

Stadt erklärt verzicht auf SIM-Wohnungen

Die Stadt erklärt den Verzicht auf SIM so: „Der Kaufpreis wäre höher ausgefallen, wenn wir auf die SIM-Wohnungen bestanden hätten“, sagt der Pressesprecher der Stadt, Sven Matis. Das sei der politische Preis, der für den Kauf bezahlt worden sei.

Ziel der Stadt ist, jährlich 300 neue Sozialwohnungen zu bauen. Nach Schätzung der Verwaltung wird dieses Ziel zwischen 2014 und 2019 insgesamt um mehr als 500 Einheiten verfehlt werden. „Das Landeswohnraumförderprogramm war 2014 so ausgestattet, dass viele Bauträger ihre Projekte auf 2015 verschoben haben. Richtig anlaufen wird der Sozialwohnungsbau daher erst in diesem Jahr“, sagt Matis. Zudem müsse man sehen, „dass wir von null kommen und Wohnungsbau ein Prozess ist, der einen sehr langen Vorlauf braucht“.

Der Gemeinderat hat das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell am 24. März 2011 mit nur einer Stimme Mehrheit beschlossen. Greift auf einem Grundstück neues Baurecht, müssen 20 Prozent der neuen Wohneinheiten nach dem Modell SIM öffentlich gefördert werden. Der Bau geförderter und somit günstiger Wohnungen wird von Stadt und Land finanziell unterstützt. Als Gegenleistung muss sich der Bauherr verpflichten, für einen Zeitraum von bis zu 25 Jahren die Miete auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau festzuschreiben. Geförderter Wohnungsbau ist daher bei Investoren wenig beliebt.