Die Villa Reitzenstein in Stuttgart ist zwei Jahre lang für insgesamt 11,2 Millionen Euro saniert worden. Jetzt zog Ministerpräsident Winfried Kretschmann zurück an seinen alten Dienstsitz auf der Gänsheide.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Der Ministerpräsident scheint ein ordentlicher Mensch zu sein – das ist zumindest der Eindruck nach einem Presserundgang durch die Villa Reitzenstein, die jetzt für 11,2 Millionen Euro saniert worden ist. Denn der Schreibtisch von Winfried Kretschmann ist so aufgeräumt, als sei der „MP“ in einen langen Urlaub verreist. „Und das sieht immer so aus“, beteuert Staatssekretär Klaus-Peter Murawski. Drei Bücher stehen vor Kretschmann griffbereit auf der Tischplatte, das „Handbuch des Landtags“ und gleich zwei Bibeln. Hinter ihm nehmen zwei grüne Gemälde ein rotes in die Zange, was sicher politisch zu deuten ist. Und auf dem Fensterbrett findet sich eine Papstfigur mit integrierter Solaranlage. Franziskus nickt immer, wenn die Sonne scheint.

 

Auf den ersten Blick hat sich nach der zweijährigen Sanierung der Villa Reitzen-stein nicht viel verändert. Doch Heizung und Elektrik sind komplett erneuert worden; jetzt wird sogar die Kälte aus den vielen Nazi-Stollen unter der Villa energetisch genutzt. Asbestverseuchte Materialien wurden entfernt. Und historisch schwierige Einbauten von 1975, dem Jahr der letzten großen Renovierung, hat man rückgängig gemacht. So gab es im Musikzimmer eine Spiegelwand; niemand wollte dort konferieren, weil man ständig abgelenkt war. Daneben sind die Holzböden und Steinmosaike aufgefrischt worden, damit auf politischem Parkett niemand mehr ausrutscht. Die Fenster wurden renoviert und die Wände in sanftem Grau gestrichen. Gobelins, Leuchter aus Muranoglas und Holzvertäfelungen mit Intarsien verleihen der Villa einen luxuriösen Charme.

Kosten liegen insgesamt bei 33 Millionen Euro

„Wir wollten das historische Bild der Villa aus dem Jahr 1913 möglichst wieder zur Geltung bringen“, so Murawski. Aus diesem Grund wurden auch die Porträts der Ministerpräsidenten aus dem Foyer verbannt; sie kommen in den 15,5 Millionen Euro teuren benachbarten Neubau, der im November bezugsfertig ist. Apropos Porträt: Mehr als fünf Jahre nach seinem Weggang ist das Gemälde von Günther Oettinger jetzt endlich fertig und kann aufgehängt werden. Von Stefan Mappus wird es vermutlich als erstem MP gar kein Porträt geben; er habe auf mehrere Anfragen nicht geantwortet, sagte Klaus-Peter Murawski.

Der Neubau dient auch als Verbindungsweg für weitere Gebäude, die die Mitarbeiter bald trockenen Fußes erreichen. Bis November arbeiten viele Angestellte noch im angemieteten Gebäude der ehemaligen Diakonie in der Stafflenbergstraße. Nach dem Auszug wird es abgerissen und neu bebaut. Trotz des Neubaus gibt es nicht genügend Platz für alle etwa 200 Mitarbeiter des Staatsministeriums; sie sind über weitere Häuser verteilt (siehe Karte).

Führungen für Bürger gibt es wieder im neuen Jahr

Mit allen Nebenkosten belaufen sich die Ausgaben für Villa und Neubau auf rund 33 Millionen Euro. Vor zwei Jahren waren noch weniger als 30 Millionen Euro veranschlagt gewesen; trotzdem sagte Staatssekretär Murawski beim Rundgang, dass der Kostenrahmen eingehalten worden sei.

Der frühere StZ-Redakteur Thomas Borgmann schreibt gerade an einem Buch über die Geschichte der Villa Reitzenstein; es soll im Frühjahr erscheinen. Im neuen Jahr soll es wieder Führungen für Bürger durch die Villa geben. Der Park ist jetzt schon an Samstagen geöffnet.