Der Marktforscher Stefan Holl ist beeindruckt von der möglichen Wiederbelebung des Marstall-Centers. Und er hat schon exakte Vorstellungen davon, wie ein neues Einkaufszentrum aussehen sollte.

Ludwigsburg- Ungefähr zwei bis drei Jahre könnte es dauern, bis die Untere Stadt nicht mehr gegen den Rest der Ludwigsburger Innenstadt abfällt – schätzt Stefan Holl, der Chef Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA). Der Bedarf für ein weiteres Einkaufszentrum sei vorhanden. Zum Beispiel fehle noch ein sehr großer Lebensmittelmarkt.
Herr Holl, können Sie glauben, dass das Marstall-Center von den Toten aufersteht?
Es ist ja nicht tot. Wenn man genauer hinschaut, ist die weitaus größere Fläche im Marstall-Center Wohnfläche. Und dass man dort attraktiv wohnt, ist ja keine Frage, dort gibt es keinen Leerstand. Der kleinere Teil ist der Handelsteil. Er bestimmt die Diskussion.

Also gut: können Sie glauben, dass das Marstall-Center wieder ein gut funktionierendes Einkaufszentrum wird?
Auf jeden Fall. Für größere Flächen gibt es in peripheren Lagen kaum noch Genehmigungen. Insofern ist für mich vorgezeichnet, dass es für diese bestehenden zentralen Flächen einen Markt gibt und auch Interessenten. Wenn ein künftiger Betreiber ein gutes Paket zusammengestellt bekommt, ist die wirtschaftliche Revitalisierung möglich.

Woraus besteht ein gutes Paket?
In diesem Fall aus drei oder mehr leistungsfähigen Ankermietern. Einer davon könnte ein großer Lebensmittelmarkt wie Edeka oder Rewe sein, ein zweiter ein großer Sportfachmarkt wie Decathlon, der dritte ein Textilanbieter wie Primark – auch ein Elektrofachmarkt ist möglich. Darum herum sollte es einen Mix von größeren und kleineren Verkaufsflächen geben. Das frühere Marstall-Center hat darunter gelitten, dass es nur zwei Sorten von Verkaufsflächen gab: zwei ganz große und viele kleine. Doch in einem Center braucht man eine bessere Austarierung von kleinen, mittleren und großen Flächen.

Was ist mit der Optik?
Ein renommiertes Architekturbüro hat vor einigen Jahren ein Konzept entworfen. Diese Pläne sind meines Erachtens noch immer aktuell. Wir brauchen neben einer Neuordnung der Handelsflächen eine bessere Öffnung des Objektes zur seiner Umgebung. Und eine andere Gestaltung des Umfelds. Wenn man den Vergleich zieht zum Umfeld der Wilhelm-Galerie, also das ist nicht mehr „state of the art“, wie man neudeutsch sagt. Aber das ist ja unstrittig.

Ist das Paket damit voll?
Wenn auch eine einheitliche Eigentümerstruktur darin ist und ein professionelles Centermanagement – dann ja.

Im Gespräch ist momentan ECE. Können Sie sich etwas Besseres vorstellen?
ECE ist sehr erfolgreich. Beim Betrieb von Einkaufszentren ist das Unternehmen in Europa und Deutschland Marktführer. Der Vorteil eines Marktführers ist, dass er Zugriff auf unterschiedliche Mieter und Interessenten aus Dienstleistung und Gastronomie hat und sehr professionell die Zusammenstellung eines Branchenmix für das Objekt bewerkstelligen kann. Klar gibt es auch den Vorwurf, dass alles gleich aussehe – die Kritik kenne ich auch bei unseren Haupteinkaufsstraßen. Und es ist keineswegs so, dass es nicht noch andere Firmen gibt, die das auch gut machen. Aber trotzdem kann ich mir in diesem Fall niemanden vorstellen, der das wesentlich besser macht als ECE.

Was würde ein revitalisiertes Marstall-Center für Ludwigsburg bedeuten?
Die Innenstadt würde deutlich aufgewertet. Und für die Untere Stadt ist ein weiteres Leerstehen nicht das, was man sich dauerhaft vorstellen möchte.

Verträgt die Innenstadt noch ein Zentrum?
Natürlich würde es im kleineren Stil zu Umverteilungen kommen, aber bei einem vernünftigen Branchenmix würde die City von einem neuen Center profitieren. Im Handel haben wir in den vergangenen Jahren Fläche verloren. Die Wilhelmgalerie hat zwar neue Akzente gesetzt, aber das Marstall-Center nicht eins zu eins ersetzt.

Wie sieht ein vernünftiger Branchenmix in diesem Fall aus?
Man müsste schauen, dass man die Wilhelmgalerie nicht kopiert, sondern sinnvoll ergänzt. Es gibt durchaus ein paar Branchen, wo ich sagen muss, die sind in Ludwigsburg nicht gut vertreten.

Zum Beispiel?
Der ganze Wohnbedarfssektor, den in Stuttgart Läden wie Strauss oder Butlers abdecken, ist hier eine völlige Fehlanzeige. Auch im Bereich junge Mode sehe ich noch Möglichkeiten. Und für einen innerstädtischen Supermarkt mit etwa 4000 Quadratmeter gibt es einen Markt.

Es gibt die Spekulation, wonach das Breuningerland im Tammerfeld erweitern darf, wenn das Marstall-Center wieder läuft. Wäre das für die Händler in der Innenstadt dann noch immer eine Zumutung?
Zu dieser Spekulation kann ich mich nicht äußern. Ich bin in die Verhandlungen nicht eingebunden. Grundsätzlich kann ich sagen: Wir haben vor einiger Zeit, als die Diskussion über die Erweiterung des Breuningerlandes begann, gesagt, dass wir uns eine moderate Arrondierung vorstellen können. Doch alle Zahlen, über die dann diskutiert wurde, waren nicht moderat.

Und wenn die Stadt Sie nun fragen würde?
Dann würde ich raten, erst mal abzuwarten, wie sich das Marstall-Center aufstellt, welche Branchen sich ansiedeln. Möglicherweise ist ein Wettbewerb dann gar nicht mehr so gegeben.

Wie lange würde es dauern, die Untere Stadt und das Marstall-Center schickzumachen?
Ich schätze etwa zwei Jahre. Aber selbst wenn es drei Jahre dauerte: Wenn es Ludwigsburg gelänge, dieses Einkaufszentrum zu revitalisieren, dann kann man bundesweit den Hut ziehen. Viele Städte, die ein vergleichbares Problem haben, stellen sich da ganz anders an.