Eigentlich sind Willy Löbl und Max Pfisterer Grafiker. Durch Zufall sind die beiden aber in die VJ-Szene reingerutscht und konnten sich schnell im Kessel mit Homebase im Rocker einen Namen machen. Wir haben mit den beiden Lichtkünstlern über ihre Arbeit gesprochen.

Stuttgart - Was ein DJ macht weiß längst jeder – wie arbeiten aber eigentlich Visual-Jockeys, kurz VJs? Das Visual-Duo Frischvergiftung hat sich den Claim „öffentliches-nächtliches Fernsehen seit 2007“ verpasst. Willy Löbl und Max Pfisterer sind als Grafiker eher zufällig in die VJ-Szene reingerutscht und konnten sich schnell im Kessel mit Homebase im Rocker einen Namen machen. Bewaffnet mit ihren Laptops pixelten sie außerdem schon in diversen Berliner Clubs, auf der Winter Music Conference in Miami oder auf dem Detroit Electronic Festival. Dank dem angesammelten Know-How über die letzten Jahre, werden Frischvergiftung für Firmen- und Kultur-Events verpflichtet und fertigen z.B. spektakuläre Gebäudeprojektionen an.

Kann man sagen, dass ihr eher zufällig in die Visual-Ecke gerutscht seid? Wie ging es los?
Sagen wir gelenkter Zufall. Angefangen haben wir 2007 - zunächst im Rahmen einer eigenen Partyreihe. Zur visuellen Untermalung haben wir Videoloops erstellt. Der eigentliche Anfang als VJs kam dann einige Monate später 
für eine Party im good old Colibri (Stadtmitte/Rotebühlplatz, heute Büro/Shopping-Gebäude, d. Red) unseres Kollegen Christian Herbstreuth aka afreemind, der damals noch als Veranstalter unterwegs war. Und das war wirklich Zufall, auf einer Veranstaltung im Württembergischen Kunstverein stand er gerade neben uns, als wir lautstark über die Visuals ablästerten. Er fragte, ob wir das besser könnten und engagierte uns für die besagte Party. Da wir bis dahin nur vorgaben VJs zu sein, mussten wir uns innerhalb von zwei Wochen mit
 den Programmen vertraut machen und Material erstellen. Ging aber alles gut und den Leuten hat's gefallen. Danach ging es recht bald mit der Discotronic-Reihe im 
Rocker 33 los und ab da waren wir dann regelmäßig im Einsatz.

Ihr seid eigentlich Grafiker: Was ist der große Unterschied zu bewegten Bildern?
Vor allem eben die Bewegung und die zeitliche Dimension, dass beim Bewegtbild etwas passieren muss, sei es eine einfache Bewegung oder Skalierung 
bis zu einer komplexen 3D-Animation oder gefilmtem Material. Wir arbeiten sehr gerne mit Stills wie z.B. grafischen Elementen, die wir dann in unserem
 VJ-Programm live animieren.

Bei manchen Partys übernehmt ihr quasi die Aufgabe des Lichtjockeys. Was bedeutet das für euch und eure Arbeit? Welche Rolle spielen Raum und Act?
Die Arbeit beginnt schon im Vorfeld, oft mit der Konzeption -  welche Technik nötig und möglich ist und wie diese eingesetzt wird, z.B. Beamer, Leinwände, Objekte, LED-Wand etc. Idealerweise können wir den Raum durch unsere Installation aufwerten oder überhaupt erst partytauglich machen. Während der Party verläuft unsere Arbeit sehr intuitiv. Natürlich haben wir eine gewisse Bandbreite von vorbereiteten Sachen, aber wie und wann oder mit welchem Look wir das Einsetzen ist immer vom Moment und der Atmosphäre abhängig. Klar spielt die Musik eine große Rolle. Die Visuals zur frickeligen Minimal von Dominik Eulberg vor 400 Leuten sehen sicherlich anders aus als
die Visuals zum Bombast-Techno von Sven Väth vor 4000 Leuten.

 

Wird eurer Meinung nach eine Party mit Visuals besser als mit der reinen Club-Lichtanlage?
Auf jeden Fall. Gute Visuals, die richtig eingesetzt werden, werten eine Party immer auf. Den Leuten wird einfach mehr geboten und wir sind oft flexibler, eine bestimmte Atmosphäre zu transportieren.
 Eine gute Lichtanlage, die tendenziell eher kleiner aber pointierter sein sollte, kann aber natürlich nie schaden. Am liebsten ist es uns, wenn wir beides steuern können oder uns mit dem Lichtjockey absprechen, dann entstehen die besten Effekte.

Visuals sind zwar beliebt im Nightlife, kommen aber doch in Stuttgart eher weniger zum Einsatz. Woran liegt das? Budget? Platzmangel?
Sicherlich spielen hier die Kosten eine Rolle. LED-Wände oder große starke Beamer sind z.B. meist ziemlich teuer. In Stuttgart sind viele Clubs aber auch schlicht und einfach zu klein, um da 
vernünftige Visuals einzurichten. Besonders die Deckenhöhe ist da entscheidend, da man den Leuten ja nicht in die Gesichter strahlen möchte und umgekehrt diese nicht die ganzen Projektionen verdecken sollen.

Über mangelnde Aufträge könnt ihr euch nicht beklagen, ihr werdet längst auch von Agenturen bzw. Firmen gebucht - vom Club in die Industrie sozusagen.
Das hat sich tatsächlich aus unseren Clubauftritten entwickelt. Die Leute haben unsere Sachen gesehen und 
uns danach angefragt. Wir haben uns im Laufe der Jahre viel Know-How angeeignet, das uns die 
Umsetzung von komplexen Projekten überhaupt erst möglich macht, wie z.B. die Einrichtung von Projektionen
 auf Gebäuden und komplizierten Objekten. Davon profitieren dann unsere Kunden.

Gutes Stichwort: Visuals auf Häuserfassaden sieht man immer häufiger in letzter Zeit. Man kann sich das gar nicht vorstellen, wie so etwas realisiert wird, wenn man das z.B. beim neuen Kornwestheimer Kulturzentrum „Das K“ sieht.
Das K war insofern recht dankbar, da das Gebäude recht glatt und strukturiert war und uns die Gebäudepände vorlagen. Daraus konnten wir dann recht einfach ein 3D Modell konstruieren. Deutlich komplizierter wird es wie z.B. 
bei der Bespielung einer alten Kaserne vor zwei Jahren. Da haben wir zunächst Fotografien aus der späteren Position der Beamer angefertigt und daraus ein 3D-Modell generiert. Da die Beamer aber an einer viel höheren Position
 standen als der Betrachter, mussten wir, um die perspektivischen Effekte zu erhalten, den fertigen Film wiederum aus der theoretischen Position der Beamer virtuell auf das 3D Modell projizieren und erneut herausrechnen.
 Erst dann entsteht beim Betrachter der Eindruck das z.B. etwas auf ihn zukommt.

Klingt kompliziert. Was war euer bislang aufwendigstes Projekt?
Zum Beispiel unser Fassadenmapping für das Release-Event die Spielkonsole PS4 am Postdamer Platz in Berlin. Zusammen mit der Agentur 0711 Livecom haben wir eine 25 Meter hohe Fassendenbeklebung konzipiert, welche dann mittels vier Projektoren zum Leben erweckt wurde. Das war ein riesen Aufwand, den vor allem dann andere Leute hatten, bis wir mit unseren Inhalten anrücken konnten.

Derartige Projekte benötigen eine leistungsstarke Hardware. Wie groß sind die technischen Fortschritte in der Visual-Sparte in den letzten Jahren?
Die ganz großen Beamer sind etwas leistbarer geworden, aber immer noch ziemlich teuer, und auch in Deutschland kommen immer öfter 
LED-Wände zum Einsatz. Und natürlich werden die Rechner und Laptops immer leistungsfähiger, was uns sowohl bei der Erstellung als auch bei
 den Live-Auftritten hilft. Ein großer Fortschritt ist die Entwicklung von Grafikkarten mit z.B. sechs Ausgängen. Dadurch werden Installationen 
zu einem kalkulierbaren Preis möglich, die man bis dahin nur mit Mediaservern für mehrere Tausend Euro realisieren konnte.

Was würdet ihr gerne noch machen bzw. bespielen?
Wir entwickeln uns gerade auch in eine künstlerische Richtung weiter und entwerfen räumliche Installationen, wie unser "Kunststoffmeer". Da können wir uns sicherlich noch so einiges Vorstellen. Ein Traum wäre eine Opern-Inszenierung im Stile vom Ring der Nibelungen durch La Fura del Baus vor einigen Jahren. In der Industrie wünschen wir uns Kunden und Projekte, die uns immer mehr fordern und weiterentwickeln.

Mehr Infos zu Frscihvergiftung hier, alle Videos hier

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