Weil Mehlschwalben kaum noch Nistplätze finden, baut die Stadt Backnang mit Hilfe von Umweltschützern am Murrufer einen Turm für die Vögel.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Demnächst werden die Jungen von ihren Eltern rausgeworfen. Doch der Wohnraum ist knapp. Schwalbeneltern kennen offenbar kein Pardon, anders als viele Menschenmütter und -väter. Jahrelang im Hotel Mama leben? Nein, das ist bei Schwalben nicht drin. Die Nester sind auch viel zu klein, die Not entsprechend groß. Für den Nachwuchs ist es schwer, ein neues Quartier zu finden.

 

Früher, sagt der 74-jährige Backnanger Rolf Pfaff, hätten Schwalben vielfältige Nistmöglichkeiten gehabt. Er selbst sei auf einem Bauernhof aufgewachsen. Es ist lange her, dass er ein Bub war. Damals, sagt der Rentner und Naturschützer, hätten Schwalben noch genügend Lehm finden können, um Nester zu bauen, nicht nur auf Bauernhöfen. Vor ein paar Jahrzehnten, erzählt Pfaff, seien auf den geschotterten Parkplätzen an der Murr viele kleine Gumpen gewesen, in denen sich das Regenwasser gesammelt habe. Dort hätten sich die schnellen Flieger Baumaterial geholt. Heute seien die Mehlschwalben zwingend auf Hilfestellung des Menschen angewiesen.

Punkte für das Ökokonto

Jetzt ist auf dem Betriebsgelände der Stadtwerke Backnang ein Schwalbenturm mit 42 kleinen Fertighäuschen für die Vögel aufgestellt worden. Die Stadt hat laut Auskunft des Leiters des kommunalen Planungsamts, Stefan Setzer, rund 10 000 Euro springen lassen. „Herr Pfaff hat uns mal wieder angetrieben“, sagt der Mann aus dem Rathaus beim Vor-Ort-Termin augenzwinkernd. Doch vollkommen uneigennützig ist die Stadt nicht tätig geworden. Für solche Maßnahmen zum Artenschutz kann sich die Kommune Punkte auf einem sogenannten Ökokonto gutschreiben lassen. Für Neubauprojekte, die in Wiesen, Äcker oder Wälder eingreifen, müssen alle Kommunen Ausgleichsprojekte umsetzen: Sie können beispielsweise Bachläufe renaturieren, Bäume pflanzen – oder eben Schwalbentürme aufstellen.

Der neue Turm am Murrufer ist ausgestattet mit solarbetriebenen Lautsprechern, aus denen tagsüber leise Schwalbenstimmen zu hören sind. Die Apparatur soll die jungen Vögel, die demnächst ihre Nester auf der anderen Seite der Murr verlassen, anlocken. Der Standort des Schwalbenturms, den eine Spezialfirma aus Hessen gebaut hat, sei mit Bedacht gewählt, erzählt Rolf Pfaff. Möglichst nah am Wasser, wo Insekten fliegen, denn die dienen den Schwalben als Nahrung. Und zudem nicht weit entfernt von den Nestern der Eltern. In ein paar Wochen, schätzt der Mann vom Naturschutzbund, werden die Vögelchen flügge. Dann, so hoffe er, werden sie die neuen Kunstnester in Beschlag nehmen.

Schwalben als Glücksbringer

Früher, erzählt Pfaff, seien Schwalben noch als Glücksbringer angesehen worden. Auch das ist schon ein Weilchen her. Heute wollten die meisten Hausbesitzer lieber keine Schwalbennester an den Fassaden ihrer Gebäude – wegen des Kots. Dabei sei es gar kein Problem, unter den kleinen Nestern sogenannte Kotbretter anzubringen. Viele Menschen, sagt Pfaff kopfschüttend, hätten offenbar kein Verständnis mehr für Glück – „die sehen nur den Dreck“.

In Backnang gebe es unter anderem in der Gerber- und in der Wilhelmstraße noch Schwalbennester. Doch trotz des neuen Turms fehlten weitere Quartiere für den Schwalbennachwuchs. Pfaff hat bereits angekündigt, dass er nicht locker lassen werde, die Stadt möge doch bitte weitere Standorte für Schwalbentürme suchen.