Der Zweitligist 1. FC Heidenheim bekommt die Voith-Arena nebst Trainingsplätzen zu dem symbolischen Preis von einem Euro von der Stadt geschenkt. Warum?

Heidenheim - Der Verein 1. FC Heidenheim 1846 kann die Voith-Arena einschließlich der Trainingsplätze und Parkflächen – insgesamt gut 80 000 Quadratmeter – zum Preis von einem Euro kaufen. Das hat der Gemeinderat der Stadt am Donnerstagabend beschlossen. Eine „weiterhin erfolgreiche Entwicklung des Vereins“ erfordere, „dass dieser von der Stadt unabhängig wird, gleichzeitig aber auch Möglichkeiten zur Fremd- oder Eigenkapitalbeschaffung erhält“, lautet die Begründung in der Beschlussvorlage, der sich die Räte mit großer Mehrheit anschlossen.

 

Mit dem Verkauf entledige sich die Stadt aller baulichen Unterhaltsverpflichtungen und befreie sich von Steuer- und Versicherungszahlungen – jährlich rund 345 000 Euro, präzisierte ein Rathaussprecher am Freitag. Mit der Einführung der doppelten Buchhaltung im Rathaus von 2019 an hätte die Stadt zudem den jährlichen Wertverlust des Stadions in Höhe von 320 000 Euro im Etat ausweisen müssen. Der Kaufvertrag enthält eine Klausel, wonach das Stadion im Fall einer Insolvenz des Vereins für einen Euro zurückgekauft wird.

Geld fürs Stadion von beiden Seiten

Nach Angaben von Stadt und Verein hat die Kommune seit 2009 insgesamt 16 Millionen Euro in den Ausbau des früheren Albstadions gesteckt, der Verein zusätzlich 20 Millionen. Im Gegenzug zahlte der FC Heidenheim eine jährliche Stadionpacht in Höhe von lediglich rund 2600 Euro. Der Vereinspräsident Holger Sanwald sagte am Freitag, die investierten 20 Millionen Euro „muss man auch als Pachtzahlung sehen“. Zudem habe der Verein die jährlichen Betriebs- und Unterhaltskosten des Stadions in Höhe von 750 000 Euro getragen. Der Jahresumsatz des FC Heidenheim betrug 2016 rund 20 Millionen Euro.

„Die Dinge haben sich überholt“, begründete der Oberbürgermeister Bernhard Ilg (CDU) am Freitag seine Entscheidung, die wirtschaftliche Trennung vom Profifußballverein herbeizuführen. Auf die Frage, warum nicht ein Wirtschaftsmodell nach Stuttgarter oder Freiburg Vorbild gewählt wurde, sagte Ilg, er halte wenig von Konstruktionen, „in denen fast der gesamte Gemeinderat im Aufsichtsrat sitzt“. Aus höheren Stuttgarter Rathauskreisen hieß es am Freitag, das Heidenheimer Schenkungsmodell sei „sehr ungewöhnlich“.

Ein Handel unter Parteifreunden

Der Heidenheimer Oberbürgermeister und der Vereinspräsident sind Parteifreunde. Sanwald ist seit zehn Jahren auch Gemeinderat in der Stadt. Zu einer Abkühlung der Duzfreundschaft ist es offenbar gekommen, als Sanwald eine städtische Beteiligung am Bau eines Parkhauses beim Stadion forderte. Er könne „nicht erkennen, warum eine Stadt so etwas tun sollte“, betonte Ilg am Freitag noch einmal. Der Gemeinderatsbeschluss steht noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Stuttgarter Regierungspräsidiums. Nach Paragraf 92 der Gemeindeordnung darf eine Kommune Vermögensgut weder verschenken noch unter Wert verkaufen. Für Ausnahmen brauche es „gute Gründe“, teilt die Mittelbehörde mit. Ein Verstoß gegen das EU-Vergaberecht oder eine unerlaubte Begünstigung werde bisher nicht gesehen.

Laut dem Präsidenten Sanwald ist der Handel noch nicht zu Ende. Nun müsse eine Auflösungsvereinbarung zum geltenden Pachtvertrag ausgehandelt werden. Dieser hat eine Laufzeit von weiteren 21 Jahren. Bedingung sei für ihn, so der Präsident, die künftige „politische Unabhängigkeit“. Geplant sei ferner, das Stadion als Sicherheit für Bankkredite einzusetzen und, mittels einer neuen Parkhausgesellschaft oder auch einer Stadiongesellschaft, Investoren anzulocken. Kritik an der Schenkung versteht Sanwald nicht. Früher sei Heidenheim eine „verrußte Industriestadt“ gewesen. Auch der Trainer Frank Schmidt meinte, es hätten wohl viele Kritiker vergessen, „wie grau die Stadt war und wie langweilig“. Dann sei der FCH durchgestartet. „Auf einmal war es geil, Heidenheimer zu sein.“

Alternative Lösungen: Stadion behalten, Risiko auslagern: Das Vorbild Stuttgart

Stuttgart - In jüngster Zeit haben drei große Städte und Vereine im Land Verträge zum Neu- oder Umbau und zum Betrieb von Fußballarenen geschlossen. Zwei Ziele stehen im Mittelpunkt: die Vereine wollen die Stadien selbst vermarkten, und die Städte wollen kein Geld mehr zuschießen.

Freiburg und Karlsruhe haben das 2008 entwickelte Stuttgarter Modell mit einer kommunalen Tochter als Trägerin sowie einer Betreiber-Gesellschaft des Vereins übernommen. Es verkraftet sogar eine Krise. Nach dem Gang des VfB in Liga zwei wurde die Tilgung des Umbaukredits (zwei Millionen Euro) ausgesetzt. Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) hält zwei Runden im Unterhaus für verkraftbar. Wird es danach nicht besser, droht auch dem besten Modell das Aus – hier: der Heimfall. Stadion und Betrieb würden an die Stadt zurückfallen. Der Unterschied zur alten Lösung: jede bis dahin geleistete Tilgung hat den Schuldenberg reduziert.

Ein Verkauf entlastet den Haushalt – kurzfristig

Bis zum Umbau in eine Fußballarena 2008 für 73 Millionen Euro war der VfB Stuttgart Mieter im Daimler-Stadion gewesen. Den Betrieb leitete das Sportamt, der Bundesligist bezahlte Miete. Die Idee, das VfB-Stadion günstig abzugeben – wie es Heidenheim tut –, hatte einst auch der damalige OB Wolfgang Schuster (CDU). Er wollte 25,7 Millionen Euro vom VfB, der Buchwert betrug 82 Millionen.

Die Vorteile: schnelles Geld in der Stadtkasse, keine Umbaubeteiligung und eine Haushaltsentlastung von 1,5 Millionen Euro jährlich. Die Nachteile überwogen aber: Der Verzicht auf städtisches Vermögen von 75 Millionen Euro, ein Heimfallrisiko bei Insolvenz und Risiken wegen des EU-Beihilferechts. Außerdem hätte die Stadt den Stadionverkauf ausschreiben müssen, da der VfB einen Investor gebraucht hätte, und die Stadt hätte wegen des Erbbauzins-Verzichts Steuern bezahlen müssen (verdeckte Gewinnausschüttung). Zudem hätte das Land beim Eigentümerwechsel Zuschüsse zurückgefordert.

Nun gehört das Stadion der Neckarpark-Gesellschaft – die ein bisschen der Stadt gehört

Der Kämmerer Föll ließ die Immobilie daher samt alter Verbindlichkeiten aus früheren Umbauten und den Schulden für den Umbau in die Stadion Neckarpark GmbH & Co übertragen. Der VfB beteiligte sich als atypisch stiller Gesellschafter mit 27 Millionen Euro, die vor allem von der Daimler AG stammen (Namensrecht). Bei etwaigen Verlusten würde dieses Kapital zuerst zur Deckung herangezogen. Außerdem wurde ein Erbbaurechtsvertrag geschlossen, der auch den Heimfall in der Krise regelt.

Der VfB managt die Arena selbst, machte im ersten Jahr 26 Millionen Euro Gewinn. Der Stadiongesellschaft zahlt er jährlich rund 6,3 Millionen Euro Pacht. Sie finanziert Zins und Tilgung der Darlehen, Erbbauzins, Abschreibungen und größere Instandsetzungen. Wichtig: nur 59 Prozent der Gesamtpacht sind nötig, um die echten Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Am Ende der 30-jährigen Laufzeit wird ein Gewinn von 30 Millionen Euro erwartet.