Nach Meinung des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 zählt nur die Mehrheit, nicht das Quorum. Die FDP sieht das ganz anders.

Stuttgart - Nach den Befürwortern von Stuttgart 21 haben nun auch die Gegner ihre Kampagne zur Volksabstimmung am 27. November vorgestellt. Der Logik des zur Abstimmung gestellten Gesetzentwurfs entsprechend sagen sie "Ja zum Ausstieg". Hinter der Kampagne steht das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21. "Ohne unseren Druck hätte es diese Volksabstimmung nie gegeben", sagte Birgit Dahlbender, die Sprecherin des Aktionsbündnisses.

 

Das Referendum bedeute einen wichtigen Schritt in Richtung direkte Demokratie. Erstmals in der Geschichte des Landes hätten "die Menschen die Möglichkeit, über ein Sachthema abzustimmen". Mit einem Ja zum Ausstieg steigen nach ihren Worten auch die Chancen, "dass Projekte künftig mit Beteiligung der Bürger und mit größerer Transparenz geplant werden müssen".

300.000 Euro für das Aktionsbündnis

Bereits jetzt haben sich 30 lokale Bündnisse für die Kampagne gebildet. 40 Veranstaltungen seien schon geplant. Auch der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer wird als Redner auftreten. In etwa zwei Wochen soll ein Zehn-Punkte-Flyer an die Haushalte verteilt werden. Für die Projektgegner fügt es sich, dass in der Woche vor der Volksabstimmung in Stuttgart die hundertste Montagsdemo ansteht.

"Dazu laden wir das ganze Land ein", sagte Hannes Rockenbauch vom Aktionsbündnis. Zudem soll mit bunten Plakaten für den Ausstieg geworben werden. Die Farben sind mit Bedacht gewählt - sie sollen im trüben Herbstnebel bei den Betrachtern positive Gefühle wecken.

Mitte November ist ein dezentraler Aktionstag geplant, bei dem laut Rockenbauch thematisiert werden soll, "wo es vor Ort fehlt, ob das Lehrer sind oder Kindergärtnerinnen oder Bahnhöfe". Die Krimiautoren Heinrich Steinfest und Wolfgang Schorlau lesen auf Literaturveranstaltungen im ganzen Land aus eigenen Werken. Bisher haben die Stuttgart-21-Gegner 300.000 Euro für die Kampagne in ihrer Kasse. 150.000 Euro kommen allein von den Grünen, jeweils etwa 50.000 Euro von der Naturschutzorganisation BUND sowie vom Aktionsbündnis, dazu weitere Spenden.

1,5 Milliarden Euro Schadensersatz

Auf die Frage, ob er das Ergebnis der Volksabstimmung annehmen werden, auch wenn es gegen eine Kündigung der Finanzierungsvereinbarung ausfalle, sagte Rockenbauch: "Wenn eine Mehrheit mit Nein abstimme, dann werden wir akzeptieren, dass der Gesetzentwurf zum Ausstieg gescheitert sei." Aber wie es dann weitergehe, müssten die Menschen entscheiden.

Das Zustimmungsquorum von einem Drittel der Wahlberechtigten, dass die Verfassung für den Erfolg in der Volksabstimmung verlangt, lehnt er ab. "Ich bin überzeugt, dass in der Demokratie Mehrheiten entscheiden", sagte er. Wenn eine Mehrheit für die Kündigung votiere, müsse Grün-Rot aus dem Projekt aussteigen, auch wenn das Quorum nicht erreicht sei. Daraufhin verlangte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, die grün-rote Landesregierung müsse sich vom Aktionsbündnis distanzieren. "Erneut stellen die Anführer des Aktionsbündnisses unter Beweis, dass sie entschlossene Gegner von Recht und Verfassung sind", sagte Rülke.

Unterdessen haben die Stuttgart-21-Gegner der Darstellung von Bahn-Vorstandschef Rüdiger Grube widersprochen, bei einem Ausstieg aus Stuttgart 21 müsse das Land 1,5 Milliarden Euro Schadenersatz zahlen. Tatsächlich betrügen die Ausstiegskosten 300 Millionen Euro, sagen die Ingenieure 22. Der Betrag umfasse unter anderem Planungskosten und die Ausgaben für bereits ausgeführte Arbeiten. Grubes Rechnung enthalte auch Ausgaben für die Neubaustrecke nach Ulm, was nicht zulässig sei. Die Bahn weist freilich darauf hin, dass die Schnellbahntrasse ohne Stuttgart 21 für lange Zeit ein Phantom bleiben werde. Die hohen Kosten für den Ausstieg sind zentraler Bestandteil der Kampagne der Stuttgart-21-Befürworter.