Die Bewohner des Gutsbezirks Münsingen stimmen am Sonntag über ihre kommunale Zukunft ab. Bisher ist Münsingen ein Unikum.

Münsingen - Bisher ist der Gutsbezirk Münsingen ein Unikum: Er gehört zu keiner Gemeinde. Jetzt sollen die Einwohner aber zu Münsingen und Heroldstatt kommen. Ihre Meinung dazu ist am 26. September gefragt, dem kommenden Sonntag.1102 selbstständige Städte und Gemeinden gibt es im Südwesten. Und den 6700 Hektar großen Gutsbezirk, der im Landkreis Reutlingen liegt, gemeindefrei ist und dem Bund gehört. Seit 1942 gibt es den Bezirk, der Ort Breithülen wurde vom Militär wegen seiner direkten Anbindung zum Truppenübungsplatz dem Gebiet zugeschlagen. Der ehemalige Truppenübungsplatz Münsingen, die Soldatenunterkunft Altes Lager, die Wohnsiedlung "Am Kapf" in Münsingen sowie das zehn Kilometer östlich gelegene Breithülen samt ausgemustertem Remontedepot gehören heute ebenfalls zum Gutsbezirk.

Eingemeindungen haben Vorteile


Nachdem der Übungsplatz 2005 geschlossen worden war, wurden immer wieder Stimmen in Münsingen (Kreis Reutlingen) und Heroldstatt (Alb-Donau-Kreis) laut, die besiedelten Flächen im Bezirk zu rekommunalisieren. Der ehemalige Schießplatz, Kernzone des Biosphärengebietes Schwäbische Alb, blieb dabei außen vor. Nach langen Verhandlungen mit dem Land stimmten 2009 die jeweiligen Gemeinderäte und die beiden Kreistage in Reutlingen und Ulm zu, das Alte Lager und die Wohnsiedlung der Stadt Münsingen zuzuschlagen. Breithülen mit seinen 66 Einwohnern soll zum zwei Kilometer entfernten Heroldstatt kommen. Die Vorteile der Eingemeindungen: Die Verwaltungen haben in Zukunft Planungssicherheit, sie können wieder mitreden, wenn gebaut werden soll. Bevor es so weit ist, muss der Landtag aber der Auflösung des Gutsbezirks zustimmen. Das dauert noch. Außerdem werden auch die Gutsbezirkbewohner zur Eingliederung befragt. Das schreibt die Gemeindeordnung vor.

Wie die Bürgerbefragung am morgigen Sonntag abzulaufen hat, bestimmt das Kommunalwahlgesetz. Das bedeutete viel Arbeit für Horst Medrow, vom Bundesfinanzministerium bestellter Verwalter des Gutsbezirks, und Geschäftsführer Willi Börgmann. Sie mussten das Wählerverzeichnis zusammenstellen, ließen die Wahlbenachrichtigungskarten und die Briefwahlunterlagen drucken, bereiteten die Stimmzettel vor und entstaubten Wahlurnen und Sichtblenden. Am Sonntag ist Abstimmungstag: Von 9 bis 12 Uhr können die 58 Wahlberechtigten in Breithülen und von 13 bis 16 Uhr die 34 Wähler in Münsingen ihr Kreuz bei Ja oder Nein machen. Was passiert, wenn sich die Mehrheit gegen eine Rekommunalisierung ausspricht? "Vermutlich nichts", räumt man im Innenministerium ein. Die gesetzmäßige Anhörung müsse der Landtag bei seiner Abstimmung im Dezember nur zur Kenntnis nehmen. Auch Städte-, Gemeinde- und Landkreistag werden gefragt.

Freude über jeden Neubürger


Die 66 Breithüler müssen sich auf Veränderungen einstellen. Bisher dürfen die Bewohner der zwölf bundeseigenen Häuser weder Bürgermeister noch Gemeinderat wählen. Wenn der Landtag die Übertragung abgesegnet hat, wächst die Wählerschaft in Heroldstatt. Nach mehr als 70 Jahren können die Breithüler 2014 wieder an Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen teilnehmen. Bei der Landtagswahl 2011 müssen sie sich unter den Kandidaten aus dem Alb-Donau-Kreis entscheiden, bei der Bundestagswahl stimmen sie im Wahlkreis 291 ab, nicht mehr im Wahlkreis 289.

Außerdem sind neue Visitenkarten und Briefbögen mit der Postleitzahl 72535 fällig. Mit dem Wechsel zum Alb-Donau-Kreis sparen die Breithüler auch: Müllabfuhr und Wasser werden billiger. Für Autofahrer wird es teurer, die Regionalklasse ändert sich. Das RT-Kennzeichen am Auto bleibt aber gültig. Erst wenn ein Fahrzeug neu angemeldet wird, müssen die Eigentümer das UL-Schild anschrauben.

Heroldstatts Bürgermeister Karl Ogger freut sich über die 66 Neubürger. Für jeden gibt es jährlich pauschal 609 Euro vom Land. Die Gemeinde investiert im neuen Ortsteil aber auch 1,1 Millionen Euro in die Wasserversorgung, 2011 dann 1,3 Millionen Euro für die Infrastruktur. Geschäftsführer Börgmann, der mit einem Ortsvorsteher gleichzusetzen ist, plagen noch andere Sorgen. Welche Flagge muss er am Sonntag zur Abstimmung aufziehen? Landesfarben oder Schwarz-Rot-Gold? Auf keinen Fall die Landkreisflagge: "Das wäre ja Wahlbeeinflussung", sagt er schmunzelnd.