Bei der Volksversammlung auf dem Karlsplatz bleibt die Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer keine Antwort schuldig.

Stuttgart - "Bei mir bist du schön, please let me explain“, hat die Dixieland-Band zum Auftakt der Reihe „Wir reden mit“ schwungvoll gejammt. Auch Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) lieferte vor der überraschend geringen Kulisse von 300 Interessierten auf dem Karlsplatz jede Menge Erklärungen: zum G8 und zu Gemeinschaftsschulen, zur Lehrerausbildung und zu neuen Beteiligungsformen („Kommunen sollen an der Schulleiterwahl beteiligt werden“) – und darüber, wie sie die Fehler im Bildungssystem beheben will. Und schließlich: wann hat es das je gegeben, dass normale Bürger die Gelegenheit bekommen, eine Kultusministerin zu brisanten Themen zu befragen?

 

Auch ein Schüler der Waldorfschule Kräherwald traute sich: Wann komme endlich die 80-Prozent-Förderung für freie Schulen? Diese, so die Ministerin, werde „in Schritten aufgestockt“ und „in nächster Zeit ausverhandelt“. Dem Schüler bescheinigte sie Courage: „Hoffentlich machst du das auch, wenn du erwachsen bist.“

"Schulkultur des Kümmerns"

Wie die Ministerin ein System zu reformieren gedenke, das „mit großer Hartnäckigkeit Bildungsverlierer produziert“, wollte die „Mutter eines steuerzahlenden Teenagers“ wissen. Darauf Gabriele Warminski-Leitheußer: „Wir brauchen eine Schulkultur des Kümmerns, einen starken Elementarbereich und Gemeinschaftsschulen.“ Eben ein System, das Kinder nicht ausgrenze, sondern individuell fördere. Das gelte auch für behinderte Kinder und fange in den Kitas an. „Sonderschüler sollen Regelschüler werden, aber mit sonderpädagogischer Förderung“.

Die Lehrerin einer Körperbehindertenschule hielt dagegen: In der Regelschule würden diese Kinder gemobbt und seien schon in die Sonderschule zurückgekommen. Deren Struktur müsse erhalten bleiben. Warminski-Leitheußer argumentierte, man müsse sich eben Zeit lassen für die Entscheidungsfindung. Baden-Württemberg bescheinigte sie beim Thema Behindertenintegration einen Rückstand von zehn Jahren.

"Lustlosigkeit der Lehrer"

Eine Vertreterin des Stuttgarter Gesamtelternbeirats wollte wissen, wie eine Schule Gemeinschaftsschule werden könne, auch wenn der Schulträger das nicht wolle. Die Ministerin empfahl: „Sie müssen den Schulträger so lang bearbeiten, bis das fruchtet.“

Die „Mutter eines G8-Opfers“ berichtete, am schlimmsten sei für ihren Sohn „die Lustlosigkeit der Lehrer“ gewesen. G8, so die Ministerin, „halte ich für einen Fehler“. Das achtjährige Gymnasium solle jedoch nicht entrümpelt werden, sondern es würden zusätzliche Poolstunden für die individuelle Förderung sowie Modellschulen mit G9 eingerichtet werden, allerdings nicht flächendeckend. Den „Burnout“ von Lehrern wolle sie durch eine Aufstockung der Krankheitsvertreter verhindern. Für die Motivation der Pädagogen sei wichtig, dass diese mitentscheiden dürften. „Der Lehrer ist im Schraubstock der Hierarchie. Ich sage: Querdenken ist ausdrücklich erwünscht, niemand wird dafür bestraft.“ Dafür gab es viel Applaus.

Das Schulfach "Glück"

Auf Nachfrage räumte die Ministerin allerdings ein, dass die Kreativität bei der Ausgestaltung des Lehrplans nicht in Willkür ausarten dürfe. Ohne verlässliche Bildungspläne sei das System nicht durchlässig. Aber in Heidelberg hätten Lehrer immerhin das Schulfach Glück erfunden. „Was für ein Schulfach“, schwärmte sie. Und zog damit das Publikum auf ihre Seite. Buhrufe erntete sie nur für ihre Haltung, es sei zu spät, um Stuttgart 21 zu beenden.

Eine frühere Hauptschullehrerin kritisierte, dass es Ernährungslehre nur an Haupt- und Realschulen gebe und diese um 50 Prozent gekürzt worden sei. „Ich möchte, dass alle Schüler lernen, wie man kocht“, so die Lehrerin. „Das“, versprach die Ministerin, „nehm ich mit auf“.