Offenbar nicht jeder Genosse findet den "Super-Minister" Nils Schmid super. Bei der Volksversammlung auf dem Marktplatz erntete er Pfiffe.

Stuttgart - Vor der Volksabstimmung über Stuttgart 21 wird es einen Videofilm geben, in dem der Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Stellvertreter Nils Schmid (SPD) in Häberle-und-Pfleiderer-Manier über die Vor- und Nachteile des Bahnprojekts philosophieren. Diese Ankündigung war kein Witz, mit dem der für Wirtschaft und Finanzen zuständige "Superminister" Schmid am Mittwoch die Stimmung auf dem Marktplatz optimieren wollte, wo ihn etwa 1000 S21-Gegner partout nicht super finden wollten. Für den SPD-Landeschef ist der geplante Filmauftritt sogar "das Highlight der Informationskampagne".

 

Nur zweimal vermochte er bei der "Volksversammlung" zu punkten - als er gegen "unverantwortlichen Spekulanten" wetterte, und als er dem Ex-Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) und all jenen mit Schadensersatzforderungen drohte, die beim Kauf der EnBW-Aktien von der EdF profitiert hätten. Ansonsten hatte der Moderator der Aktion "Wir reden mit", Jo Frühwirth, wie auch schon bei der Veranstaltung mit OB Wolfgang Schuster größte Mühe, das Frage-und-Antwort-Spiel mit Projektgegnern und dem Pro-S-21-Vertreter geordnet über die Bühne zu bringen.

Kein Zweifel an der Kostenobergrenze

Der Finanzminister zeigte sich von den Anfeindungen und "Lügenpack"-Rufen allerdings unbeeindruckt und pries S21 wie auch die Neubaustrecke nach Ulm als ebenso sinnvolle wie solide finanzierte Projekte. Er hat deshalb auch keine Zweifel, dass die Kostenobergrenze von 4,5 Milliarden Euro eingehalten werde. Die von der Bahn vorgelegte Kostenaufstellung sei plausibel, sagte er. Die Frage aber, wie sich die Regierung verhalten würde, wenn die Bahn in einigen Jahren Mehrkosten offenbaren würde, beantwortete Schmid nicht.

Dafür sorgte er für Verwirrung beim Thema Ausstiegskosten. Der von Befürworterseite genannte Betrag von 1,5 Milliarden Euro enthalte seines Wissens nicht jene 800 Millionen Euro, die die Bahn im Gegenzug für die Rückgabe der Grundstücke an die Stadt Stuttgart entrichten müsste. Nach Schmids Rechnung aber würden sich die Ausstiegskosten dadurch plötzlich auf 2,3 Milliarden Euro belaufen. Auch von seinen Genossen bekam Schmid keine Butter zum Brot. Sie machten die Pro-S-21-Haltung der Parteispitze für den Niedergang der Stuttgarter Sozialdemokratie verantwortlich. Dieser habe schon vor der Abrissdebatte begonnen, konterte der Parteichef. Er glaube aber nicht, dass es die SPD wegen S21 zerreiße. Unmut äußerten die Parteifreunde auch, weil er eine Mitgliederbefragung verhindert habe. Schmid sagte, der Volksentscheid biete doch nun die Möglichkeit, das Projekt zu verhindern. Auch für diese Einschätzung erntete er Pfiffe - in den Redebeiträgen war zuvor das hohe Quorum von 30 Prozent kritisiert worden.