Als Reaktion auf den Abgas-Skandal baut Volkswagen den Konzern um. Vorbild soll dabei der Stuttgarter Autobauer Porsche sein.

Wolfsburg - - Nach dem Betrug mit manipulierter Abgas-Software bei rund elf Millionen Diesel-Pkws steht der Wolfsburger Volkswagen-Konzern mit dem Rücken zur Wand. Der Fahrzeugabsatz ist im vergangenen Jahr zurückgegangen, das Konzernergebnis ist tief ins Minus gerutscht, und mindestens 3000 Jobs stehen auf der Kippe.

 

Eine grundsätzliche Umorganisation der Arbeitsabläufe soll nun helfen, Europas größten Automobilkonzern wieder auf die Spur zu bringen. „Mein Ziel ist es, Volkswagen effizienter und schneller, unternehmerischer und mutiger zu machen“, sagte VW-Vorstandschef Matthias Müller am Donnerstag in Wolfsburg bei der Vorlage der Bilanzkennzahlen für das abgelaufene Jahr. Was man vorhabe komme „einem Paradigmenwechsel“ gleich. Der Zeitplan ist straff. Bis „Anfang 2017“ soll die neue Konzernstruktur „in allen Facetten“ stehen, sagte der VW-Chef.

Die Macht der Zentrale wird beschnitten

Konkret will Müller die Kompetenzen der bislang alles bestimmenden Wolfsburger Zentrale beschneiden und in Jahrzehnten gewachsene Verkrustungen in den Entscheidungswegen aufbrechen. Dazu will er das Unternehmen „dezentraler“ aufstellen und den zwölf Konzernmarken sowie den Managern in den Absatzregionen mehr Eigenständigkeit zubilligen. Insbesondere soll das Geschäft entlang der Modell-Baureihen – Passat oder Golf - organisiert werden. Die hier Verantwortlichen sollen vermehrt Entscheidungen treffen, mit denen bislang der Konzernvorstand befasst war. Müller erhofft sich dadurch mehr „Ergebnisorientierung“, „deutlich schnellere und kürzere Entscheidungswege“ sowie ein Ende des stark auf den eigenen Aufgabenbereich gerichteten „Silo-Denkens“, das VW gegenüber der Konkurrenz ausgebremst habe.

Beim Umbau steht dabei der Stuttgarter Sportwagenbauer Porsche Pate. Was man vorhabe, mache Porsche dem Grundsatz nach „schon seit 20 Jahren“, sagte VW-Markenvorstand Herbert Diess. Im Moment übernehme man im VW-Konzern viele der in Zuffenhausen eingeführten Arbeitsweisen.

Porsche ist die mit Abstand profitabelste Konzernmarke der Wolfsburger. 2015 schoss der operative Gewinn um 25 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro in die Höhe. Beim Absatz und beim Umsatz erzielte man Rekorde. Bei dem Unternehmen genießen die Top-Manager der Fahrzeugmodellfamilien gegenüber den Porsche-Vorständen mehr Freiheiten, stehen aber auch in der Verantwortung, Gewinne einzufahren. Der Schwenk zur Porsche-Arbeitsweise werde bei VW „große Kräfte befreien und verfügbar machen“, sagte Diess, der den Porsche-Weg als „Fitness-Modell“ für Volkswagen bezeichnete. In einigen Werken sei die Effizienz seit Einführung erster Maßnahmen bereits um zehn Prozent angestiegen. Die neue Organisationsstrategie beginne zu wirken.

Verheerendes Geschäftsjahr

Ein schnelles Umsteuern ist auch nötig, denn das abgelaufene Geschäftsjahr war für den Wolfsburger Konzern verheerend. In Folge der Abgasaffäre hat der Konzern mit 1,4 Milliarden Euro den größten Verlust seiner Unternehmensgeschichte ausgewiesen. Auslöser waren Rückstellungen von mehr als 16 Milliarden Euro für die Diesel-Tricksereien, die den operativen Gewinn unter dem Strich in einen Verlust umkehrten. Das „operative Geschäft des Volkswagen-Konzerns ist kerngesund“, betonte Müller allerdings. Die Einschätzung speist sich aus dem nur leicht – um zwei Prozent – auf 9,9 Millionen Fahrzeuge gesunkenen Absatz. Außerdem verdienten die Wolfsburger im Tagesgeschäft mit 12,8 Milliarden Euro sogar noch einen Tick mehr als im Vorjahr. Die Belastungen durch den Diesel-Skandal sind hier freilich nicht mit eingerechnet.

Gleichwohl sind viele Fragen ungelöst - auch für Millionen Volkswagen-Kunden. Für sie wird der Abgasskandal zur Hängepartie. Am Ziel, alle mit manipulierter Software ausgestatteten Autos bis zum Jahresende wieder hergerichtet zu haben, hält man bei VW zwar offiziell noch fest. Dass die Umrüstaktion länger dauern könnte, deutet sich aber an. „Möglicherweise“ könne sie aber auch „bis ins nächste“ Quartal – also bis ins Jahr 2017 – reichen, sagte VW-Markenchef Diess. Weil das Kraftfahrt Bundesamt die von VW angebotene technische Aufmöbelung betroffener Passat-Modelle noch nicht durchgewunken hat, kommen nun zuerst Golf-Besitzer zum Zug. „Wir beginnen jetzt zügig mit der Umrüstaktion des Golfs“, sagte Diess. Kunden mit 2.0-Liter-Dieselmodellen könnten „kurzfristig Werkstatttermine vereinbaren“, teilte der Konzern mit. Für den Passat arbeite man „mit Hochdruck“ an einer endgültigen Lösung.

Klar ist, dass für betroffene europäische Diesel-Kunden, nicht die gleichen Bedingungen wie für ihre Leidensgenossen aus den USA gelten. Vergangene Woche hatte sich VW mit US-Behörden Grundsätze von Entschädigungszahlungen bis hin zum Fahrzeugrückkauf geeinigt. „Eine Eins-zu-Eins-Übernahme der Überlegungen in den USA in andere Teile der Welt wird es nicht geben“, sagte Markenchef Diess. Er versicherte, die hierzulande geplanten Umrüstaktionen würden nicht zu einer Verschlechterung von Leistung und Verbrauch der jeweiligen Fahrzeuge führen.

Porsche und Audi sind die Stützen des Konzerns

Im Konzern bleiben neben Porsche vor allem Audi, sowie Skoda die Stützen des Geschäfts. Audi stellte 2015 mit 1,8 Auslieferungen einen Bestwert auf, Porsche schaffte mit 225 000 verkauften Sport- und Geländewagen gleiches. Skoda knackte wie schon 2014 die Absatzschwelle von einer Million Fahrzeugen. Für das laufende Jahr geht VW von einem Umsatzminus bis zu fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahreswert (213 Milliarden Euro) aus, wie Müller ausführte. Beim Absatz will man den aktuellen Wert von „etwa zehn Millionen Einheiten“ halten. Die „Rekordjagd der vergangenen Jahre“ sei „zumindest unterbrochen“, sagte er.