Der Volleyball-Trainer Vital Heynen steht mit dem VfB Friedrichshafen im Pokalfinale. Doch damit ist er noch nicht zufrieden. Der Belgier will immer mehr – auf durchaus unkonventionelle Weise.

Friedrichshafen - Mit Vital Heynen ins Gespräch zu kommen, ist nicht schwer. Er ist offen für jeden, und er gibt allen, die ihn danach fragen, seine Handynummer. Ein Gespräch mit Vital Heynen zu beenden, fällt dagegen nicht ganz so leicht. Weil er ein glänzender Kommunikator ist. Ein Unterhalter, der den Gegenüber in seinen Bann zieht, inspiriert, mitnimmt auf eine Reise in die Welt des Volleyballs. Und weil er viel von sich preisgibt. „Mit mir ist es nicht einfach“, sagt der Mann, den viele Experten zu den besten Trainern in Europa zählen, „denn ich liebe das Chaos.“

 

Im Privatleben führt das zu pragmatischen Lösungen. Da Heynen Schlüssel stets verliert, steht das Haus der Familie in Belgien immer offen. Weshalb Freunde schon mal Zettel auf dem Esstisch hinterlassen – mit der Botschaft, niemand angetroffen zu haben. Im Volleyball? Ist Heynen ebenfalls ständig auf der Suche. Nach neuen Ideen, anderen Ansätzen, besonderen Methoden. „Mein Chaos ist positiv. Ich mache nie zweimal dasselbe“ sagt der Trainer des Bundesliga-Spitzenreiters VfB Friedrichshafen, der Dinge zwar gerne plant, aber seinen Plänen nur selten folgt – weil immer irgendetwas dazwischen kommt. Deshalb arbeitet Heynen (47) auch so gerne in Deutschland. „Hier ist alles in Ordnung, voller Disziplin und Gründlichkeit“, sagt er, „da passe ich mit meiner verrückten Art gut dazu. Diese Symbiose funktioniert.“

In Friedrichshafen fand Heynen große Fußstapfen vor

Erst bei der Nationalmannschaft, die der Belgier zu WM-Bronze 2014 und zu Gold bei den European Games 2015 führte. Und nun auch beim VfB Friedrichshafen. Dort fand er große Fußstapfen vor. Stelian Moculescu hatte den Club 19 Jahre trainiert und 27 Titel geholt. Doch die Pfade anderer interessieren Heynen nicht. Er geht seinen eigenen Weg. „Ich habe großen Respekt vor seiner Arbeit, aber ich habe nie gefragt, was Moculescu gemacht hat“, erklärt er, „ich bin wie ich bin, muss doch darauf schauen, was ich kann.“ Was das ist? „Leute begeistern. Sportler motivieren, sie stärker machen. Deshalb bin ich als Trainer am richtigen Platz.“

Sportlich läuft es in Friedrichshafen. Heynen hat seine Ankündigung umgesetzt, auf deutsche Spieler zu setzen („Du musst dafür sorgen, dass die Menschen lokale Helden haben“), sein Team hat erst eine Bundesliga-Partie verloren, steht am Sonntag (16.45 Uhr/Sport 1 live) in Mannheim im Pokalfinale gegen den großen, finanziell besser aufgestellten Rivalen Berlin, den der VfB in dieser Saison nach sechs engen Sätzen schon zweimal 3:0 geschlagen hat.

Sein Tempo kann nicht jeder mitgehen

Das freut den Trainer, der dem Kontrahenten eine höhere individuelle Qualität zuspricht. Zufrieden ist er damit nicht. Heynen will Titel gewinnen. Und in Friedrichshafen nicht nur mit der Mannschaft etwas bewegen, sondern auch im Umfeld. Doch den VfB empfindet er eher als Tanker denn als Schnellboot. Heynen beklagt die Selbstzufriedenheit in der Region, spürt Widerstände gegen das Tempo, das er einfordert. Das kann einem Trainer, der sich selbst als hyperaktiv beschreibt, nicht gefallen: „Etwas gar nicht zu machen, das ist viel schlimmer, als etwas schnell zu machen.“

Ob auch Heynen, der den Sommer über das belgische Nationalteam trainiert, in Friedrichshafen eine Ära prägen wird? Ist offen. Sein Vertrag läuft noch ein zweites Jahr, doch Papier ist geduldig. Heynen sagt, dass er nur dort gerne arbeitet, wo er seine Ideen umsetzen kann, engagierte Mitstreiter vorfindet, sich wohlfühlt. Er kann wenig damit anfangen, wenn es vor allem darum geht, Traditionen zu bewahren, aber nicht in eine neue LED-Bande investiert wird. „Vital Heynen ist ein Volleyballbesessener, ein akribischer Arbeiter. Er übt seinen Job auf dem höchsten Level aus und will Dinge schnell vorantreiben“, sagt VfB-Geschäftsführer Sebastian Schmidt, „es ist doch normal, dass es dabei auch Reibungspunkte und Diskussionen gibt.“

„Ich bin ein Belgier mit einer großer Klappe“

Es sind die Gespräche, die selbst dem großen Kommunikator Heynen wenig Vergnügen bereiten. Viel lieber ist es ihm, wenn er seinen Spielern Wissen und Werte vermitteln kann. „Ich bin ein Belgier mit einer großen Klappe. Sieben Stunden am Stück zu reden, das ist für mich kein Problem.“ Für die VfB-Volleyballer schon, weshalb sie ziemlich froh darüber sein dürften, dass ihr Trainer Gruppengespräche hasst. „Ich habe 14 Spieler“, sagt Heynen, „also kommt jeder eine halbe Stunde dran. Das ist viel effektiver.“ Und ein guter Plan. Sofern nicht wieder was dazwischen kommt.