Nervenschlacht am Netz: Allianz MTV Stuttgart hat das erste Play-off-Viertelfinale der Volleyballerinnen gegen Vilsbiburg 3:1 gewonnen. Es waren aber 115 Minuten zwischen Kampf und Krampf.

Stuttgart - Keiner hat gesagt, dass Play-off-Spiele schön sein müssen. Der Ausscheidungswettbewerb im Kampf um die deutsche Meisterschaft hat neben der Nervenanspannung für das Personal auf dem Spielfeld durchaus auch einen großen Unterhaltungswert für die Zuschauer. Und so hat es gegen Ende der 115 Minuten langen Viertelfinalpartie kaum jemanden der über 2000 Zuschauer in der Scharrena auf den Sitzen gehalten, bis, dem Armdrücken in einem bayerischen Bierzelt gleich, das Team von Allianz MTV Stuttgart gegen die Rote Raben Vilsbiburg mit 3:1 (21:25, 25:20, 25:23, 28:26) gewonnen hatte.

 

Was für ein furioses Finale: mit 21:24 lag das Team um die ständig antreibende Kapitänin Kim Renkema im vierten Satz zurück. Es roch nach Tiebreak in der Scharrena. Doch mit Nichole Lindow im Aufschlag und mit unbändigem Kampfgeist wehrte das Team des Trainers Guillermo Naranjo Hernández drei Satzbälle ab zum 24:24-Ausgleich. Der Durchgang war plötzlich wieder völlig offen. Weitere zwei Raben-Satzbälle wurden bravourös pariert. Dann lagen endlich die Gastgeber wieder vorne, und ausgerechnet die 38-jährige ehemalige kubanische Weltmeisterin Liana Luaces Mesa, die dem Spiel anfangs ihren Stempel aufgedrückt hatte (16 von 22 Punkten in den ersten beiden Sätzen), donnerte ihren Angriffsball meterweit ins Aus.

Nichols ungewohnte Rolle

Der erste Stuttgarter Matchball war verwandelt. Jubel pur. „Großer Kampf und großer Krampf“, fasste der Manager Bernhard Lobmüller nach der Nervenschlacht zusammen und atmete tief durch. In der Tat: dafür, dass es so eng wurde, dafür sorgte das Stuttgarter Team schon auch selbst. Wackelig in der Konstanz, unabgestimmt in der Raumaufteilung, leichtfertig im Umgang mit den Chancen. Nur bei den Themen Kampfgeist und Aggressivität, da waren die Stuttgarterinnen den Raben aus Vilsbiburg haushoch überlegen. „Vielleicht lag es ein wenig daran, dass wir plötzlich zwei Wochen kein Spiel hatten“, meinte die Zuspielerin Valerie Nichol und zuckte abgeklärt mit den Schultern. Die 22-jährige Amerikanerin verblüffte durch ihren zeitweisen Einsatz als Diagonalangreiferin, als das Trainerteam Ende des dritten und Ende des vierten Satzes plötzlich Femke Stoltenborg für Deborah van Daelen einwechselte. Der plötzliche Rollentausch würde im Fußball in etwa dem Wechsel des Torwarts in den Sturm entsprechen, mitten im Spielverlauf, und es ist auf einmal verboten, den Ball mit der Hand zu spielen.

„Ich hab mir immer gesagt, spiel bloß nicht zu, spiel bloß nicht zu“, erklärte Nichol und lachte. „Mit den Angriffen dagegen hatte ich weniger Probleme.“ Die ungeahnten Qualitäten als Angreiferin waren für Valerie Nichol nichts besonderes. „In meinem ersten Collegejahr habe ich als Außenangreifer gespielt, im zweiten und dritten Jahr als Diagonalangreifer und erst in meinem letzten Jahr war ich Zuspielerin.“ Zudem wurde diese Option unter der Woche einstudiert, nachdem Kaja Groblena, die belgische Nationalspielerin, an Problemen mit ihrem Schlagarm laboriert.

Zweites Spiel am Samstag in Vilsbiburg

Der Tabellendritte Stuttgart kann gegen den Sechsten Vilsbiburg schon am nächsten Samstag in Niederbayern den Einzug ins Halbfinale perfekt machen. „Das wird wieder nicht einfach“, sagt der Trainer Guillermo Naranjo Hernández. „Die Raben sind ein schwerer Gegner.“ Und die Spielführerin Kim Renkema, die genauso wie Michaela Mlejnková 17 Punkte zum ersten Play-off-Sieg beisteuerte, meinte: „Wenn möglich, werden wir 150 Prozent geben, damit es in zwei Spielen klappt.“

Sollte dieses Vorhaben gelingen, beschwert sich sicherlich niemand, wenn es keine so schöne Partie wird.