Zwei Bilder von Fritz Winter, einem der profiliertesten Vertreter der deutschen abstrakten Malerei, gehen auf die Reise nach Amerika. Dort werden die Werke aus dem Bestand der Nürtinger Villa Domnick im Busch-Reisinger-Museum ausgestellt.

Nürtingen - Nur dünnes Schreibmaschinen-Papier hat dem von den Nazis mit einem Malverbot belegten Fritz Winter zur Verfügung gestanden, als er sich im Winter 1944, während des Genesungsurlaubs von einer an der Ostfront erlittenen Kriegsverletzung, in sein Atelier am Ammersee verkrochen hat. „Triebkräfte der Erde“ heißt die Serie aus rund 50 Bildern, in denen sich der damals 39 Jahre alte Künstler in dem geschützten Raum das im Krieg Erlebte binnen weniger Wochen von der Seele gemalt hat.

 

Noch bevor der erst 1949 aus russischer Gefangenschaft zurückgekehrte Maler sich den Ruf als einer der wichtigsten abstrakten Künstler der deutschen Nachkriegszeit erarbeiten sollte, hatte der Stuttgarter Kunstsammler Ottomar Domnick vier Bilder aus der „Triebkräfte“-Serie erstanden. Zwei davon haben jetzt die Reise von der Nürtinger Villa Domnick, in der eine von den Staatlichen Schlössern und Gärten verwaltete Stiftung über den Nachlass des Nervenarztes wacht, in die USA angetreten. Dort werden sie im Frühjahr im Busch-Reisinger-Museum in Cambridge ausgestellt.

„Wichtigste Werke aus dieser Epoche“

Das 1930 im Bundesstaat Massachusetts gegründete Museum ist Teil des Harvard Art Museums. Die Einrichtung widmet sich der Sammlung, Erforschung und Präsentation der Kunst aus deutschsprachigen Länder. Der Ausstellung „Inventur-Art in Germany, 1943-55“, liegt der Anspruch zugrunde, die wichtigsten Werke dieser für die Entwicklung der künstlerischen Formensprache in Deutschland wegweisenden Nachkriegsjahre dem amerikanischen Publikum zu präsentieren.

„Die beiden Exemplare aus der Sammlung Domnick sind herausragende Beispiele von Winters technischen Fähigkeiten und gehören zu den wichtigsten Werken aus dieser Epoche“, sagt denn auch Lynette Roth, die Kuratorin des Busch-Reisinger Museums. Und so war der Ausstellungsmacherin jenseits des Atlantiks denn auch keine Mühe zu viel und kein Weg zu weit, um der beiden kleinformatigen Kunstwerke habhaft zu werden.

„Solche Leihanfragen sind eigentlich an der Tagesordnung. Wir sind international gut vernetzt und die Fachwelt weiß genau, welche Schätze unsere Sammlung birgt“, sagt Vera Romeu, die Kuratorin der Stiftung. Einerseits sei es für die Sammlung wichtig, in dieser internationalen Liga mitzuspielen, andererseits sei es aber immer mit Risiken behaftet, wenn Kunst auf Reisen gehe.

Bilder reisen in der Klimakiste

Und so treten die beiden Bilder den Flug über den Atlantik in einer speziellen Klimakiste an, die von den Fachleuten der Kölner Kunstspedition Hasenkamp schon zwei Tage vor dem eigentlichen Verpacken in die Villa Domnick gebracht worden war. Im Beisein der Restauratorin Silke Bittmann, die die wertvolle Fracht nicht mehr aus den Augen lassen wird, bis sie sicher im Bauch des Flugzeugs verstaut ist, sind die Kunstwerke dann in dem Behältnis verstaut worden. Begleitet wird der Flug von zwei Kurierinnen. Bis die Kiste an ihrem Bestimmungsort ist, wird jeder Schritt, jede Übergabe penibel protokolliert. Im Museum bleibt der Behälter weitere zwei Tage verschlossen stehen, um den Bildern den Klimaschock zu ersparen. In vier Monaten geht die ganze Reise dann wieder retour.