Deutschland verfolgt die Amtseinführung von Donald Trump mit großer Sorge. Doch der Republikaner kann für Europa auch eine Chance bedeuten, findet StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - Sturm der Hoffnung“: Vor acht Jahren begleiteten die Deutschen die Amtseinführung Barack Obamas mit fast schon religiöser Heilserwartung. Die „Süddeutsche Zeitung“ sah seinerzeit einen „Menschenfischer“, gar den „Weltgeist“ auf den Stufen des Kapitols stehen, den Arm zum Schwur erhoben. Heute stellt man sich dagegen hierzulande bei der Inauguration seines Nachfolgers Donald Trump auf das Ende der Welt ein. Mindestens.

 

Bei Obama weiß man inzwischen, dass er die Erwartungen nicht erfüllen konnte: Seine Politik im Nahen und Mittleren Osten hinterlässt einen Scherbenhaufen, das Verhältnis zu Russland ist auf dem Tiefpunkt, das eigene Land so polarisiert, dass es Trump zum Präsidenten gewählt hat.

Der neue, 45. Präsident der Vereinigten Staaten hat hingegen nicht mit Hoffnungen Europas zu kämpfen. Seine unversöhnlichen Äußerungen, sein selbst in seiner Antrittsrede auf Konfrontation und Abgrenzung angelegter Politikstil und sein vulgäres Auftreten wecken diesseits des Atlantiks große Befürchtungen. Klar scheint: Trump hat mit der auf westlichen Werten basierenden Nachkriegsordnung nicht viel am Hut. Statt einer wertegebundenen gibt es eine ausschließlich an den Erfordernissen der USA orientierte Politik. Außerhalb ihrer Interessensphäre werden sich die USA international zurückziehen, sie werden sich nicht oder zumindest deutlich weniger in multilaterale Vereinbarungen oder Institutionen einbinden lassen, Sicherheit für Europa gibt es nur gegen mehr Geld, Handels- und Industriepolitik wird ausschließlich an US-Interessen ausgerichtet. Aus dem populistischen Wahlkampfmodus und seiner Anti-Establishment-Haltung ist Trump jedenfalls noch nicht heraus.

Keiner weiß, was die neue Administration vorhat

Das Problem – oder besser gesagt: die Hoffnung: Es gibt noch nicht einmal ansatzweise ein geschlossenes Bild der künftigen US-Administration. Äußerungen seiner designierten Minister weisen zum Teil in die entgegengesetzte Richtung. Wie sagte doch Finanzminister Wolfgang Schäuble dieser Tage in Bezug auf den Brexit: „You never eat as hot as it is cooked.“ Darüber hinaus hat der Historiker Thomas Speckmann dargelegt, dass entgegen den hiesigen Erwartungen republikanische US-Präsidenten für Deutschland meist besser waren als demokratische.

Zudem erwischt Trump Deutschland und Europa zumindest an einem wunden Punkt: Die hierzulande beliebte Kombination aus moralischem Zeigefinger und finanzieller Zurückhaltung wäre auch unter einem anderen US-Präsidenten nicht mehr durchzuhalten gewesen. Deutschland muss, das hat auch der scheidende Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Abschiedsrede betont, mehr internationale Verantwortung übernehmen. Dies geht einher mit höheren Verteidigungsausgaben und einer engeren Abstimmung der europäischen Sicherheitspolitik. Als Trittbrettfahrer kann Deutschland jedenfalls nicht mehr lange unterwegs sein.

Harte Zeiten für Angela Merkel

Kanzlerin Angela Merkel steht – sofern sie wiedergewählt wird – vor harten Zeiten. Dass sie die Nerven besitzt, sich nicht provozieren zu lassen, hat sie schon oft gezeigt. Am Ende ist es wohl nur sie, die das politische Gewicht haben könnte, für westliche Werte und eine liberale Weltordnung einzutreten. Voraussetzung ist, dass es gelingt, Europa zusammenzuhalten. Das ist in einem Jahr, das mit Brexit-Verhandlungen sowie den Wahlen in Deutschland und vor allem Frankreich entscheidend für die Zukunft der EU sein wird, eine echte Herkulesaufgabe. Doch Trump versteht (nur?) die Sprache von Stärke und Interessen. Wenn Europa gehört werden will, muss es mit einer Stimme sprechen. Die Notwendigkeit dazu ist seit diesem 20. Januar noch größer geworden – vielleicht aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass es gelingt. Das wäre eine schöne Hoffnung zur Amtseinführung des Donald Trump.