Das Haufler’sche Haus am Stuttgarter Marktplatz wäre jetzt 400 Jahre alt, wäre es nicht 1944 im Bombenhagel versunken. Neben seiner architektonischen Schönheit hatte das Gebäude eine doppelt wichtige Bedeutung für Stuttgart. Ein Vorher-Nachher-Vergleich aus der Von-Zeit-zu-Zeit-Geschichtswerkstatt

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Zuckerbäckerstadt – dieses Wort fällt einem ein, wenn man auf dem historischen Foto, einer Postkarte zu Neujahr, die verschneiten Häuser am Stuttgarter Marktplatz betrachtet. In den 1920er oder 1930er Jahren ist das Bild aufgenommen worden. Was war der Marktplatz damals schön, und das herrlichste Gebäude von allen könnte nun seinen 400. Jahrestag feiern: Heinrich Schickhardt, der berühmte schwäbische Baumeister, hat das Haufler’sche Haus (ganz links im Bild) im Jahr 1614 erbaut, mit den drei Türmchen, dem großen Mittelerker und den Balkonen.

 

Die Geschichte des Hauses reicht allerdings weiter zurück. Um 1455 haben die württembergischen Grafen Ludwig und Ulrich an dieser Stelle ein Rat- und Kaufhaus bauen lassen; im Erdgeschoss boten Bäcker und Metzger ihre Waren an. Auf dem Sockel dieses Hauses ist dann 1614 das stattliche Haufler’sche Haus errichtet worden, das damals natürlich noch nicht so hieß.

Mörike lässt sein Hutzelmännlein in dem Haus spielen

Für Stuttgart hatte dieses Gebäude eine doppelt wichtige Bedeutung neben seiner architektonischen Schönheit. Zum einen lässt Eduard Mörike darin einen Teil seines „Hutzelmännleins“ spielen: Am Schluss wohnen die beiden Hauptpersonen Seppe und Vrone darin, und angeblich soll deshalb lange eine Steinfigur des Hutzelmännles eine Ecke des Hauses geziert haben. Gesichert ist, dass eine Statue des Schutzpatrons der Kaufleute, des heiligen Christopherus, lange dem Gebäude zusätzlichen Glanz verliehen hat. Zum anderen ist 1895 Gustav Haufler in das Patrizierhaus eingezogen und hat dort ein Schreib- und Papierwarengeschäft eröffnet. Dieses Unternehmen gibt es immer noch an alter Stätte – es ist eine der wenigen verbliebenen Traditionsfirmen am Marktplatz.

Im Sommer 1944 ist nicht nur das Haufler’sche Haus, sondern sind alle Bürgerhäuser am Marktplatz, viele aus dem 15. und 16. Jahrhundert, im Bombenhagel untergegangen. Geblieben ist vom alten Gebäude nur das steinerne Portal, das im städtischen Lapidarium, das sinnigerweise in der Mörikestraße liegt, besichtigt werden kann. Es handelt sich aber nicht um das Portal, das auf dem oberen Foto zu sehen ist; der noch existierende Eingang war bereits 1912 bei einem Umbau entfernt worden.

Die neuen Häuser stehen auf den Grundrissen der alten

Die Architekten der Nachkriegszeit haben beim Wiederaufbau die früheren Grundrisse der Häuser am Marktplatz respektiert; in vielen anderen Vierteln Stuttgarts war das keineswegs der Fall. In den horizontalen Elementen der Fassaden und in der Farbgebung sollte das Kleinteilige der früheren Gebäude nochmals anklingen. In ihren Formen verweisen die Häuser aber natürlich in die Moderne; der Bruch ist unübersehbar. Die Zeit des Bilderbuch-Marktplatzes, sie ist längst vorüber.

Der Stuttgarter Marktplatz im Wandel der Zeit

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