Stuttgarts Topografie beschert der Stadt ungeahnte Möglichkeiten für Ski und Rodel gut. Allerdings braucht es dazu Schnee und Kälte. Aber das hat es ja schon mal gegeben, wie sich auch unsere Leser erinnern. Der Redakteur Jürgen Löhle hat mit zurückgeblickt.

Winter. Das klingt nach kalter Luft, nach Knirschen von Schnee unter den Schuhen, nach Eis auf den Autoscheiben und Weiß auf den Bäumen. Davon sind wir im Moment allerdings weit entfernt.

 

Milde Winter wie diesen gab es allerdings auch früher schon, die schneereichen blieben nur besser in der Erinnerung haften, sagt zumindest die Wissenschaft. Wie auch immer – in und um Stuttgart wusste man jedenfalls schon vor den Zeiten eines Snowboard-Jump-Events auf dem Wasen oder Eishockey in der Schleyerhalle, was man im Winter so alles tun kann – wenn es denn kalt genug ist.

Auf jeden Fall hat die Region schon fast alles gesehen, was der olympische Wintersport so zu bieten hat. Einige der ganz wenigen Dinge, die es tatsächlich nie gegeben hat, ist eine künstliche Bobbahn mit Kühlanlage. Dafür existiert aber der Bob-Club Stuttgart-Solitude, der zwar keine Bahn aber Zweierbob-Vizeweltmeister Johannes Lochner als Mitglied hat.

Eishockey auf dem Feuersee

Aber sonst gab es vieles rund um den Winter. Zum Beispiel Eishockey auf dem Feuersee. Leser Michael Kiefer erinnert sich daran, wie man dort Anfang der 70er Jahre gespielt hat. Für eine kurze Zeit waren sogar eine Eismaschine und Flutlicht mitten in der Stadt im Einsatz. Und man konnte heiße Maronen kaufen.

Überhaupt gehörte das Schlittschuhlaufen im Städtle zum Winter wie die Zacke zum Marienplatz. Früher wurden dazu bei genügend Frost auch Tennisplätze so lange gewässert, bis es eine richtige „Schleifeze“ gab. Natürlich waren auch alle Parkseen Eislaufrevier, wenn es denn lange genug kalt war. Leser Claus Maier erinnert sich, dass man in den 50er Jahren in Gablenberg bei Frost so lange Wasser auf die Straße gespritzt hat, bis es eine Eisbahn zum Schleifen (örtliche Bezeichnung für Rutschen auf Eis mit normalen Schuhen) hingefroren hat. Unabhängig davon, dass es im Moment dazu zu warm ist – das sollten die Kids heute mal versuchen.

Todeswegle und Schlangenbiggele hinab

Aber Schlittschuh ist ja längst nicht alles: Stuttgart ist bekanntlich Deutschlands einzige Großstadt, die einen so großen Höhenunterschied von knapp 350 Meter aufweist. Kurzum, der Kessel wird von Anstiegen gesäumt, die man bei ordentlicher Schneelage zum Schlittenfahren nützen könnte. Die nutzbaren „Biggel“ (Hügel) trugen einst Namen wie Todeswegle, Schlangenbiggele oder Heslacher Wand, und es gab sie allüberall in der Stadt. Die bekannteste und längste Abfahrt führte von der Doggenburg bis hinab ins Feuerbacher Tal. Früher soll es hier sogar offizielle Rennen gegeben haben, später dann bis heute die schwäbische Bob-Variante. Das heißt der Frontmann liegt „bauche“ auf dem Schlitten und hängt seine Füße in den nächsten Rodel ein. Beim letzten in der Kette sitzt zusätzlich noch einer oben drauf zum Bremsen, wie sich der Leser Rolf Dittus erinnert. Dittus weiß auch noch von einer Bahn vom Dachswaldweg hinunter in Richtung Südheim.

Selbst Skifahren war in Stuttgart beheimatet

Schlittenfahren ging generell an ganz vielen Stellen in der Stadt. Auch am Bopser, in Gablenberg, die Hasenbergsteige auf dem Gehweg runter, die Weinberge abwärts zum Neckar, im Kurpark, am Schloss Rosenstein und selbst im Park der Villa Berg. Das war aber nicht erlaubt und führte gelegentlich zu einer Standpauke durch die Parkwächter, schreibt Leser Martin Wolf. Am nächsten Tag sei man aber trotzdem wieder am Start gewesen.

Auch das Skifahren war verbreitet auf den Schlittenhängen. Und in der Region gab es seit 1965 sogar einen Schlepplift. In Musberg vor den Toren der Stadt zog der „Piz Mus“ die Winterfans an. Man stand zu Hochzeiten in den 70er Jahren ungefähr zehnmal so lang an wie die Abfahrt dann dauerte, aber das war egal. Stuttgarter ohne Auto oder die Jugend fuhren mit der Strampe bis zum Rohrer See und dann weiter zu Fuß zum „Skizentrum Stuttgart“ wie am Lifthäuschen stand. Trotz der beschwerlichen Anreise war am Wochenende der Piz Mus (auch „Hau“ genannt) schwarz vor Menschen. 1995, nach einigen schneearmen Wintern, machte der Lift zu. Heute steht er als traurig vor sich hinrostendes Skelett im Hang. Ski gefahren wurde auch noch unterhalb des Hotel Schatten am Rande des Pfaffenwalds.

Wer gute Augen hat, kann übrigens heute in der Nähe des Musberger Lifts oberhalb der Eselsmühle am Waldrand noch die modernden Reste einer 1955 eröffneten Sprungschanze sehen. Leser Gerhard Lang weiß noch, wie er früher mit Bruder und Vater von Steinenbronn nach Musberg gestapft ist, um die Springer zu bestaunen. Die Schanze war kein ganz kleines Ding. Der weiteste Sprung auf 48 Metern gelang einem gewissen Georg Thoma, der in den 60er Jahren dann zweifacher Olympiasieger in der Nordischen Kombination wurde.

Schiverein spurt noch heute in Vaihingen die Loipe

Zum Sport im Winter gehört auch der Langlauf. Und auch den gab und gibt es in der Stadt. Der Schi-Verein (man beachte die Schreibweise) Vaihingen spurt bei ausreichender Schneelage im Rosental Loipen zwischen zwei und fünf Kilometer Länge. Ungespurt trifft man auch immer wieder Wackere rund um den Bärensee, und auch im Schlossgarten sind schon vereinzelte Skiwanderer beobachtet worden.

Für all diesen Sport und Spaß braucht es aber zweierlei: Kälte und Schnee. Hat es gerade nicht, aber es bleibt die Hoffnung, dass sich das Wetter doch noch ein wenig besinnt und es noch mal weiß wird vor dem Frühjahr. Kälte und Schnee hat die Natur schließlich auch hier drauf. Es gab einmal einen superstrengen Winter, da lag rund um die Uni Hohenheim bei Temperaturen von bis zu eisigen minus 16 Grad vom 18. Dezember bis zum 21. Februar an 65 Tagen ununterbrochen Schnee. Wann das war? In dunkelgrauer Vorzeit? Nein. Man schrieb den Winter 2009/2010.

Dank an die Leser

Vor einigen Tagen hatten wir Sie, liebe Leser, gefragt, an was für winterliche Sportaktivitäten Sie sich in der Stadt erinnern können. Das Ergebnis lässt nur einen Schluss zu – die Region Stuttgart wäre wohl olympiatauglicher als Peking 2022. Bis auf eine künstlichen Bob- und Rodelstrecke gibt es so gut wie alles. Oder gab es zumindest. Wir danken Ihnen ganz herzlich für die vielen Erinnerungen und Bilder, die sie uns geschickt haben und bitten gleichzeitig um Verständnis, dass wir nicht alle in dem Artikel berücksichtigen konnten. Das wäre ein Buch geworden.