Vor hundert Jahren feierte die Daimler-Motoren-Gesellschaft einen Dreifach-Sieg bei dem bis dahin bedeutendsten Grand Prix der noch jungen Motorsport-Geschichte in Lyon. Hundert Jahre später faszinieren die Rennboliden noch immer. Wir zeigen historische Bilder.

Stuttgart - Ruhig ist die Mittagspause im Daimler-Werk Untertürkheim am Freitag nicht gerade verlaufen. Zwischen den Industriegebäuden war ein ums andere Mal erst ein tief grollender Motorsound zu vernehmen, dann erschien – nach angemessener Frist – der Verursacher auf der Bildfläche: ein weißer, historischer Grand-Prix-Rennwagen mit einem stets fröhlich lächelnden Roland Asch hinter dem mächtigen Holzlenkrad. Der frühere DTM-Pilot aus Ammerbuch fuhr einige Daimler-Mitarbeiter durch das Firmengelände und über die Einfahrbahn.

 

Der Anlass für diese Aktion liegt 100 Jahre zurück. Am 4. Juli 1914 feierte die Daimler-Motoren-Gesellschaft einen großen Sieg bei dem bis dahin bedeutendsten Grand Prix der noch jungen Motorsport-Geschichte. 300 000 Zuschauer bejubelten den Dreifach-Erfolg von Christian Lautenschlager, Louis Wagner und Otto Salzer. Für 750 Kilometer benötigten diese Heroen aus dem Daimler-Fahrversuch auf schlechten Straßen mit langen Vollgasgeraden gut sieben Stunden. Lautenschlager erreichte einen Schnitt von 105 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit seines 115-PS-Mercedes lag bei 194 km/h. 26 von 37 gestarteten Wagen hatten die 20 Runden nicht überstanden.

Großer Empfang in Untertürkheim

Die Arbeit für die Sieger war damit noch lange nicht beendet. Mit ihren Grand-Prix-Wagen fuhren sie „auf Achse“ von Lyon nach Stuttgart, wo am 8. Juli im Werk in Untertürkheim ein großer Empfang geboten wurde. Später am Tag füllte die vollständig eingeladene Belegschaft die Rollschuhhalle in Bad Cannstatt.

100 Jahre später wurde der Siegerwagen von Christian Lautenschlager zumindest kurz im Werk Untertürkheim ausgestellt. Dieses Fahrzeug besitzt der Amerikaner George F. Wingard, es wird nach einer Vorführung in Lyon demnächst wieder nach Oregon überführt. Zur Sammlung von Mercedes-Benz Classic gehört ein in vielen Teilen baugleicher Wagen. Er stand 1914 – noch nicht ganz fertiggestellt – als Ersatzteilträger bereit, falls es mit den Einsatzfahrzeugen in Lyon größere Probleme geben sollte. Weil zwischen Training und Rennen eine Zeitspanne von zwei Wochen lag, wäre der Transport zur Rennstrecke möglich gewesen. Dieser Wagen wurde 1919 fertiggestellt, war zwei Jahre in italienischem Besitz und wurde anschließend im Jahr 1922 bei der Targa Florio auf Sizilien eingesetzt.

Der Beifahrer muss mitdenken

Für das Jubiläumsjahr 2014 verließ die „Nummer 8“ das Mercedes-Benz-Museum und wurde von den Spezialisten des Classic Service Centers in Fellbach startklar gemacht. Dabei geht es zwar durchaus um eine etwas größere große Inspektion, der Originalzustand bis hin zu den patinierten Sitzen blieb aber unangetastet. „Vorderradbremsen hat der Wagen keine“, erklärt Classic Service-Chef Klaus Reichert. Ein mitdenkender Beifahrer ist besonders wichtig, mit dem linken Fuß tritt der immer wieder ein Pedal zur Schmierung, der rechte Arm setzt mit einer Pumpe den Benzintank unter Druck, Muskelkraft ersetzt die Kraftstoffpumpe.

Fahrer Roland Asch kümmert sich um die Zündverstellung am Lenkrad, das Zwischengasgeben beim Hoch- wie Runterschalten und ist begeistert. „Für das Alter lässt sich der Wagen überraschend gut fahren“, sagt der Ex-Profi, „das Fahrwerk gibt eine tolle Rückmeldung und reagiert gut auf alle Lenkbefehle.“ Beim Bremsen greift Asch gern zu dem Handbremshebel rechts außerhalb der Karosserie, zumal mit dem mittleren Pedal bei Vorkriegswagen Gas gegeben wird. Was dann geschieht, belegt der 4,5-Liter große Vier-Zylinder-Vierventiler mit der eindrucksvollen Geräuschkulisse. „Hut ab vor den Fahrern von damals“, sagt Asch weiter, „mit so einem Wagen so lange so schnell zu fahren, das ist gigantisch.“

Der größte Grand Prix der klassischen Epoche war auch der letzte. Nur Wochen nach dem Mercedes-Triumph stoppte der Erste Weltkrieg den Sport. Der 4. Juli freilich ragt in der Mercedes-Rennsporthistorie noch einmal heraus. 1954 siegten die Silberpfeile von Juan-Manuel Fangio und Karl Kling beim Großen Preis von Frankreich in Reims. Und am selben Tag wurde Deutschland in Bern Fußballweltmeister.