Am 25. Februar wäre Karl May 175 Jahre alt geworden. Der Sachse war zeitlebens ein notorischer Aufschneider, Hochstapler und Plagiator. Sein Drang zur Selbstdarstellung und zu Betrügereien wurde nur noch von seiner genialen Fantasie übertroffen, die ihn eine literarische Wunderwelt erschaffen ließ.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Radebeul/Stuttgart - „Das war der Wilde Westen“ (Originaltitel „How the west was won“) ist der Titel eines amerikanischen Edel-Western von den drei Regie-Giganten Henry Hathaway, John Ford und George Marshall aus dem Jahre 1962. Die erste Riege der Hollywood-Stars spielte bei dieser Zeitreise von den 1830er bis zu den 1880er Jahren mit. Carroll Baker, Henry Fonda, Karl Malden, Gregory Peck, Debbie Reynolds, James Stewart, John Wayne und Richard Widmark. Bei aller cineastischen Fantasie ist das Cinemascope-Großwerk relativ authentisch. Was man von den Werken Karl Mays nicht gerade behaupten kann.

 

Der größte aller Abenteuer-Romanciers

Am 25. Februar vor 175 Jahren wurde May als Sohn armer Weber im sächsischen Hohenstein-Ernstthal geboren. Als er am 30. März 1912 im Alter von 70 Jahren starb, war er eine Berühmtheit. Die weltweite Auflage seiner Werke, die in 42 Sprachen übersetzt wurden, wird auf 200 Millionen geschätzt, davon allein 100 Millionen in Deutschland.

Karl Mays Ruhm beruhte auf einem riesigen Opus, das in der Welt der Abenteuerromanen seinesgleichen sucht. Farbenprächtige Exotik, fantastische Abenteuer und literarische Hochspannung machten seine Romane für Generationen von kleinen und großen Lesern unwiderstehlich. Dabei war sein ganzes Leben eine einzige große Aufschneiderei. Dass er, Karl May, Old Shatterhand und der Ich-Erzähler Kara Ben Nemsi in einer Person gewesen seien, ist genauso eine Legende wie die Behauptung, dass er die Länder gesehen habe, die Abenteuer selber erlebt habe, von denen er erzählte.

Karl May war weder der christlich-humanistische Friedensbote, für den er sich ausgab noch der Naturvölker-Versteher, als den er sich hielt. Die Neigung zu Betrug und Hochstapelei, für die er als junger Mann steckbrieflich gesucht wurde und vier Jahre im Zuchthaus saß, begleitete ihn sein Leben lang.

Zurück in die Kindheit

Aber sei’s drum. Was von Karl May geblieben ist, sind seine Romane, die Millionen kleiner und großer Helden in die Welt des Wilden Westens und des Orients entführten. „Der Schatz im Silbersee“, „Winnetou I-III“, „Der Schut“, „Unter Geiern“ und „Durch das wilde Kurdistan“ gehörten früher als Buch und Vinyl-Schallplatte zum Kinderzimmer wie Timpo Toys Western- und Ritterfiguren, Matchbox-Autos, „Was-ist-Was“-Bände und „Supermann“-Comics.

Karl Mays erfolgreichsten und bekanntestes Buch ist der 1890/1891 erschienene Westernroman „Der Schatz im Silbersee“. 1962 wurde er von Harald Reinl verfilmt – mit Lex Barker, Pierre Brice, Götz George, Herbert Lom und Karin Dor in den Hauptrollen. Die Uraufführung fand am 12. Dezember 1962 im Universum-Kino in Stuttgart statt. Der Western, der in Kroatien gedreht wurde, war ein sensationeller Kassenerfolg, dem bis 1968 insgesamt 16 weitere sehr freie Adaptionen aus dem Wilden Westen, Südamerika und dem Orient bis 1968 folgten.

Wild, Wild West

Als der damals in Deutschland kaum bekannte 33-jährige französische Schauspieler Pierre Brice entdeckt wurde und 1962 erstmals in die Mokassins des edelmütigen Häuptlings im beige-blauen Fransenkostüm schlüpfte, konnte niemand ahnen, dass sich aus der naiv-skurrilen Filmadaption der „Winnetou“-Romane und der Platzpatronen-Baller-Wild-West-Show ein Hit, ja Kult entwickeln könnte. Durch die elf Film-Adaptionen von Karl Mays frei erfundenen Western-Stoffen wurde „Wild, Wild West“ in den Herzen von Millionen Kindern und Erwachsenen fest verankert.

Winnetou vom Stamm der Mescalero-Apachen war der Edelste unter den Rothäuten und der größte aller Helden in dem an Helden so reichen Universum des sächsischen Fantasten Karl May.

Helden und Bösewichte

1962 kam der erste Teil der Indianer-Saga in die Kinos. „Der Schatz im Silbersee“. Millionen Zuschauer standen in Deutschland Schlange, um zu sehen, wie das dynamische Duo Winnetou und Old Shatterhand (gespielt von Lex Barker) den Bösewichten um den „Roten Colonel“ Brinkley und seine Tramps das Handwerk legte. „Winnetous Herz ist voller Freude, seinen weißen Bruder zu sehen.“ – „Auch Old Shatterhand ist voller Freude, seinen roten Bruder nach so vielen Monden wiederzusehen.“ Dialoge, die deutsche Filmgeschichte schrieben, Preziosen aus dem Archiv, die so kultig sind, dass sie die Tage des roten und weißen Mannes überdauern werden.

„Hugh, Winnetou hat gesprochen.“ Die Filmreihe endete 1968. „Winnetou und Old Shatterhand im Tal der Toten“ hieß der letzte der elf Wild-West-Streifen. Der Film-Winnetou starb in den kroatischen Bergen an der Kugel des feigen weißen Pistoleros Rollins, als der sich schützend vor seinen Blutsbruder Old Shatterhand warf. Dass dem Bösewicht schnurstracks sein gerechtes Schicksal ereilte, konnte die Winnetou-Fans nicht über den Tod ihres Idols hinwegtrösten.

Ewige Jagdgründe

Kein Wunder also, dass Pierre Brice 30 Jahre später für den ZDF-Zweiteiler „Winnetous Rückkehr“ nochmals das Indianerkostüm überzog. Ein bisschen reifer und rundlicher – und ohne die „Schmetterhand“ an seiner Seite. Lex Barker war da schon längst in den ewigen Jagdgründen angekommen. Er starb am 11. Mai 1973, drei Tage nach seinem 54. Geburtstag an der Kreuzung Lexington Avenue/61. Straße in Manhattan (New York) an einem Herzinfarkt.

„Winnetou hört leise die Glocken von Santa Fe“, sagt der Indianer in „Winnetou III“ zu Old Shatterhand. Der weise Apache sah die ewigen Jagdgründe schon visionär vor sich. Anders als im Film wird der echte, literarische Winnetou am Berg Hancok von einem Sioux erschossen.

Karl Mays eigener Weg in die ewigen Jagdgründe war weniger dramatisch als der seines Protagonisten. Er starb am 30. März 1912 im ostsächsischen Radebeul bei Dresdenlaut Bestattungsbuch an „Herzparalyse, acute Bronchitis, Asthma“. Neuere Untersuchungen des Skeletts deuten auf eine chronische Bleivergiftung hin.

Beider Name werden weiterleben und an den Lagerfeuern der roten und weißen Männer beim Rauchen der Friedenspfeife mit Ehrfurcht genannt werden. Hugh!