Immer mehr Unionsmitglieder sprechen sich für das Burka-Verbot aus. Aber der Ruf nach dem Verbot und strikten Auflagen für Einwanderer sollen einem anderen – einem unionsinternen – Zweck dienen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Die CSU darf sich als Avantgarde der christlichen Parteien in Deutschland fühlen. Sie hat schon vorexerziert, worüber die CDU bisher nur diskutiert. Auf dem jüngsten Parteitag sprachen sich die bayerischen Delegierten für ein „Verbot der vollständigen Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum“ aus. So stand es in einem Antrag der Jungen Union, den eine Mehrheit billigte.

 

Eine zunehmende Zahl von Christdemokraten verfolgt das gleiche Ziel. In den öffentlichen Debatten wird dies meist auf das Reizwort Burka-Verbot verkürzt, ob- wohl es sich keineswegs nur gegen die Burka richtet. Prominenteste Fürsprecherin einer solchen Offensive gegen die islamische Praxis der Gesichtsverhüllung ist die stellvertretende Parteivorsitzende Julia Klöckner, die sich anschickt, in Rheinland-Pfalz Ministerpräsidentin zu werden. Sie hatte sich bereits vor einem Jahr für ein Burka-Verbot verkämpft, damals noch erfolglos. Inzwischen wächst die Zahl derer, die sie unterstützen, beinahe täglich.

Bosbach fordert gesellschaftspolitisches Signal

Auch der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach, der fleißigste Talkshow-Gast der CDU, bekennt sich dazu, dass er den Gesichtsschleier verbieten will. Er hält das für „richtig und als gesellschaftspolitisches Signal auch für wichtig“. Auf Bosbachs Homepage findet sich allerdings ein Gutachten, verfertigt vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags, das hinter seine Absicht ein dickes Fragezeichen setzt. Die Studie bewertet die Realisierungschancen eines Burka-Verbots vor dem Hintergrund des Verfassungsrechts. Das Fazit lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: „Ein generelles Verbot der Burka im öffentlichen Raum verstößt gegen das Neutralitätsgebot des Grundgesetzes und lässt sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen.“

Das Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt diese Skepsis. Anfang des Jahres haben die Karlsruher Richter entschieden, dass der Staat muslimischen Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuchs nicht pauschal verbieten könne.

Frauenunion wirbt für offenes Gesicht

Die Tübinger Abgeordnete Annette Widmann-Mauz verfolgt mit der Frauen-Union einen anderen Weg. „Vollverschleierungen, die die Identität der Frau nicht erkennen lassen, widersprechen einer offenen Gesellschaft“, heißt es in einem Änderungsantrag zu einem gesellschaftspolitischen Reformpapier, das auf dem Parteitag Mitte Dezember in Karlsruhe diskutiert werden soll. Ein Verbot haben die Unionsfrauen aber nicht im Sinn. Sie werben für den Grundsatz: „In Deutschland wollen sich alle offen ins Gesicht sehen können.“ So ähnlich sieht das auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der Grüne plädiert für Liberalität: „Wir fördern Integration und fordern sie auch ein, aber befehlen kann man sie nicht.“

In der CDU verfolgt die Burka-Debatte einen anderen Zweck. Sie verhüllt die wahren Probleme der Kanzlerinnenpartei: den Unmut vieler Unionisten über die Flüchtlingspolitik Angela Merkels. Zurzeit basteln Parteistrategen, unter ihnen der baden-württembergische Landesvorsitzende Thomas Strobl, an einem Leitantrag, der als Blitzableiter für den verbreiteten Frust über Merkel herhalten soll. Das Burka-Verbot könnte ein Placebo sein, was das aufgebrachte Parteivolk besänftigt. Strikte Auflagen für die Integration von der Flüchtlingen, wofür sich auch Julia Klöckner einsetzt, dienen gleichfalls diesem Ziel.

Ungeachtet der verfassungsrechtlichen Hindernisse in Deutschland ist die Burka in etlichen europäischen Staaten verboten: zum Beispiel in Frankreich, Belgien, den Niederlagen und Italien. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das französische Burka-Verbot im vergangenen Jahr für rechtmäßig erklärt.