Sigmar Gabriel reist nach Teheran. Wirtschaftlich will sich das Regime öffnen, nicht aber gesellschaftlich.

Berlin - Wenn der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel an diesem Sonntagnachmittag mit mehr als 30 Unternehmensführern im Flieger von Tegel in Richtung Teheran abhebt, wird ihn eine zentrale Botschaft begleiten: Die traditionell guten Beziehungen der deutschen Wirtschaft zum Iran sollen nun – ein gutes Jahr nach Aushandlung des Atomabkommens – endgültig wiederbelebt werden. Knapp fünf Milliarden Euro betrug das bilaterale Handelsvolumen, ehe die Sanktionen verhängt wurden, die zu Beginn diesen Jahres weggefallen sind. Seither ist rund ein Drittel des ursprünglichen Umsatzes wieder erreicht worden – doch es soll mehr werden. Der 80-Millionen-Einwohner-Staat mit besten Wirtschaftskontakten nach Zentralasien gilt als Markt, auf dem die deutschen Firmen präsent sein müssen.

 

Erstmals seit 2001 tagt daher am Montag in Teheran die deutsch-iranische Wirtschaftskommission. Am Ende sollen Kooperationsvereinbarungen für die verschiedensten Bereiche unterzeichnet werden – und sicherlich auch einige handfeste Kaufverträge. Der zweite Besuch des deutschen Wirtschaftsministers – unmittelbar nach Unterzeichnung des Nukleardeals war er schon einmal dort – ist von kleineren Delegationsreisen seiner Staatssekretäre vorbereitet worden. Und auch die Wirtschaftsministerien quasi aller deutschen Bundesländer haben sich schon auf den Weg gemacht, um neue Geschäftsquellen zu erschließen. Schließlich schläft auch die Konkurrenz nicht: Leicht verstimmt musste die deutsche Wirtschaft im Frühjahr zur Kenntnis nehmen, dass Hassan Rohanis Europareise den iranischen Präsidenten nach Rom und Paris führte, nicht jedoch nach Deutschland.

Der Aufschwung muss im Alltag ankommen

Für den im Vergleich zu seinem Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad moderateren Rohani ist das Atomabkommen ein großer Erfolg gewesen. Die pragmatischeren Kräfte, die das Land damit aus der außenpolitischen Isolation herausgeholt hatten, gingen aus der Parlamentswahl Anfang des Jahres gestärkt hervor, einige Hardliner wurden nicht mehr wiedergewählt. Um die Position der Reformer auch im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr zu festigen, muss das Abkommen aus Sicht Rohanis jedoch auch wirtschaftliche Früchte tragen und den ökonomischen Alltag seiner Landsleute verbessern. Zwar verkauft der Iran heute rund doppelt so viel Öl wie zurzeit des Sanktionsregimes – der Verfall des Weltmarktpreises hat den potenziellen Gewinn jedoch wieder aufgefressen. Deshalb will man sich öffnen und Investoren ins Land holen.

Mit dem guten Gefühl, dass mehr Handel einen Wandel im Iran befördern könnte, reist denn auch die deutsche Wirtschaftsdelegation an. Zum jetzigen Zeitpunkt kann von gesellschaftlicher Öffnung freilich keine Rede sein. Vieles von dem, was Präsident Rohani vor seiner Wahl 2013 versprochen hatte, blieb eine Illusion: Die noch lebenden Anführer der niedergeschlagenen Grünen Revolution von 2009 stehen weiter unter Hausarrest, das zugesagte Frauenministerium existiert nicht, und auch zu einer besseren Einbeziehung der Minderheiten ist es nicht gekommen. Stattdessen hat die Zahl der Hinrichtungen unter Rohani ein Rekordhoch erreicht.

Das Verhältnis zu Israel bleibt schlecht

Die israelische Botschaft in Berlin hat auch vor Gabriels Reise wieder darauf hingewiesen, dass sich neben der schlechten Menschenrechtslage auch im Verhältnis zu Israel seit dem Atomabkommen vom Juni 2015 nichts zum Besseren entwickelt hat. Zwar wird auch dort anerkannt, dass die Wiener Atombehörde in ihren Quartalsberichten bestätigt hat, dass sich Teheran an die Vereinbarung hält, seine Nuklearanlagen inspizieren lässt und die Menge an angereichertem Uran reduziert hat. Erst kürzlich aber führte der Iran wieder einen Raketentest durch – auf dem Flugkörper stand erneut ein Spruch, der Israel die Vernichtung wünschte.

Und so bekommt Wirtschaftsminister Gabriel eine ganze Reihe auch politischer Wünsche mit auf den Weg. Ansprechen soll er nicht zuletzt auch, so der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt, „Irans Unterstützung für das Assad-Terrorregime in Syrien, ohne die dieses schon lange am Ende wäre“ sowie „Irans unsägliche anti-israelische Propaganda“. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour, selbst im Iran geboren, fordert von Gabriel daher, sich nicht mit leeren Versprechungen abspeisen zu lassen: „Konkrete Schritte zu einem Menschenrechtsdialog des Iran mit Deutschland oder der EU würden zeigen, dass es beide Seiten mit einer Entwicklung der Beziehungen ernst meinen.“