Zweieinhalb Wochen vor der Landtagswahl warnt der Verein für Gemeinschaftsschulen davor, das Rad in der Schulpolitik nach der Wahl zurückzudrehen. Der CDU wirft der Verein vor, das Verhältnis der Partei zur Gemeinschaftsschule habe „Kreuzzugscharakter“.

Stuttgart - Vehement hat sich der Verein für Gemeinschaftsschulen gegen Vorwürfe seitens der oppositionellen CDU und FDP gewehrt. Matthias Wagner-Uhl, der Vorsitzende des Vereins, warf der CDU vor, ihr Kampf gegen die Schulart habe „Kreuzzugcharakter“ angenommen. Eltern, Schüler und Lehrer der Gemeinschaftsschule würden seit Jahren „ständig verbal abgewatscht“, sagte Wagner-Uhl bei einer Pressekonferenz.

 

Zweineinhalb Wochen vor der Landtagswahl positionierte sich der Verein deutlich. Vorschläge der CDU, die Gemeinschaftsschule weiter zu entwickeln, lehnt Wagner-Uhl ab. Er wehrt sich dagegen, Noten und Sitzenbleiben wieder einzuführen und an den Gemeinschaftsschulen Klassen mit ähnlich leistungsstarken Schülern zu bilden. Auch sollen die Gemeinschaftsschulen, wie vorgesehen, unter bestimmten Bedingungen gymnasiale Oberstufen einrichten können. „Wir wehren uns gegen eine Politik, die die Uhren zurückdrehen will“, erklärte der Vereinsvorsitzende. Das dreigliedrige System sei international längst als wenig zukunftsführend erkannt.

Wissenschaft unterstützt die Gemeinschaftsschule

Das unterstrich Michael Schratz, der Dekan der Fakultät für Lehrerbildung an der Universität Innsbruck. Schratz ist gleichzeitig Sprecher der Jury des deutschen Schulpreises. Der Erziehungswissenschaftler betrachtet die Individualisierung des Unterrichts, längeres gemeinsames Lernen und die Konzentration auf die Entwicklung des einzelnen Schülers als erfolgversprechende Konzepte für Schulen.

Ein gutes Schulsystem zeichnet sich für Schratz durch Bildungsgerechtigkeit und bestmögliche Förderung des Einzelnen aus. „Die Gemeinschaftsschule geht in die richtige Richtung“, sagte der Wissenschaftler. Er kritisierte, durch die anhaltende Debatte werde „viel Energie vergeudet“. Statt dessen wäre „eine am Stand der pädagogischen Forschung orientierte Aus- und Fortbildung der Lehrpersonen“ sinnvoll. Dies würde sich „stark auf den Bildungserfolg der Schüler auswirken“, sagte Schratz. Auch unabhängig von der Schulart.

Handwerk hofft auf bessere Absolventen

Eine Lanze für die Gemeinschaftsschulen brach auch Stefan Baron, vom baden-württembergischen Handwerkstag (BWHT). Die Organisation setzt sich bereits seit dem 2002 für längeres gemeinsames Lernen ein. Von individueller Förderung und stärkerer Binnendifferenzierung erhofft sich der BWHT eine höhere Ausbildungsreife der Schulabsolventen.

Baron lobte den rhythmisierten Ganztagsbetrieb und die pädagogischen Konzepte der Gemeinschaftsschule. Er forderte die Parteien auf, nach der Landtagswahl die neue Schul- und Lernkultur weiter zu verfolgen. Allerdings betrachtet der BWHT auch die Realschule als leistungsstarke Schulart.

Überrascht zeigte sich Wagner-Uhl von einer Äußerung des CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf. Wolf wurde mit der Bemerkung zitiert, die CDU werde im Fall eines Wahlsiegs die bestehenden Gemeinschaftsschulen im System erhalten. Wagner-Uhl blieb skeptisch. Sollte sich das bewahrheiten, sagte der Leiter einer Gemeinschaftsschule, würde dies eine 180-Grad-Wende der CDU bedeuten.

Berufsschullehrer gegen gymnasiale Oberstufe

Der Berufsschullehrerverband lehnt gymnasiale Oberstufen an Gemeinschaftsschulen weiterhin ab. Diese würden zu unnötigen Doppelstrukturen mit den bestehenden beruflichen Gymnasien führen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) pflichtet dagegen dem Verein für Ganztagsschulen und Michael Schratz bei. Gemeinschaftsschulen seien in Europa Standard und erfolgreiche Bildungssysteme setzten auf eine veränderte Lernkultur in allen Schularten, erklärte die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz. Diese notwendige Weiterentwicklung aller Schularten werde auch die Aufgabe der Bildungspolitik von 2016 bis 2021 in Baden-Württemberg sein.