Die Broschüre der Landesregierung zur Stuttgart 21-Volksabstimmung hat Zwist ausgelöst - und spekuliert wird, ob Oettinger Mehrkosten verschwieg.

Stuttgart - Die Info-Broschüre der Landesregierung zur " Stuttgart 21"- Volksabstimmung hat in der grün-roten Koalition offenbar Zwist ausgelöst. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" berichtet, Streitpunkt seien erneut die Angaben zu den möglichen Ausstiegskosten gewesen. In den unter SPD-Regie formulierten Pro-Argumenten werden Ausstiegskosten von 1,5 Milliarden Euro genannt, was sich mit den bisherigen Angaben der Bahn deckt. In den Kontra-Argumenten, die Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) zu verantworten hat, werden dagegen Kosten von "unter 350 Millionen Euro".

 

Laut der Zeitung hatte das Justizministerium den Verkehrsminister vor Drucklegung ausdrücklich davor gewarnt, dies so zu schreiben. Gegen diese Zahl bestünden erhebliche Bedenken. Sollten am Ende Gerichte entscheiden, käme "eine unbegrenzte Haftung für alle den Vertragspartnern entstandene Schäden in Betracht", hieß es demnach zur Begründung. Hermann habe aber an der Passage festgehalten. Die laut der Zeitung 220.000 Euro teure Broschüre soll bis zum 17. November, zehn Tage vor der Volksabstimmung, an rund 5,4 Millionen Haushalte in Baden-Württemberg verschickt werden.

Hat Oettinger Mehrkosten verschwiegen?

Als "überholt" bezeichnete unterdessen der S21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich einen Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". In dem Bericht heißt es, die baden-württembergische Landesregierung habe schon 2009 unter Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) enorme Mehrkosten bei "Stuttgart 21" erwartet. Demnach haben Landesbeamte des Innenministeriums im Herbst 2009 auf Grundlage von Bahn-Unterlagen mit Gesamtkosten von mindestens 4,9 Milliarden Euro kalkuliert. Für wahrscheinlicher hätten sie sogar einen Betrag von bis zu 6,5 Milliarden Euro gehalten. Dietrich sagte dazu auf Anfrage, es habe seinerzeit mehrere Kostenberechnungen von verschiedenen Seiten gegeben, die aber mit der Ende 2009 in Kraft getretenen Finanzierungsvereinbarung allesamt Makulatur gewesen seien.

Der "Spiegel" schreibt auch, Oettinger, der heute EU-Kommissar ist, hätte sich weitere Berechnungen verbeten. "Auf Wunsch des Herrn MP" solle von einer "neuen Kostenberechnung abgesehen werden", heiße es in dem Vermerk. Solche Zahlen seien öffentlich "schwer kommunizierbar". Derzeit geht die Bahn offiziell davon aus, dass das bisher auf 4,1 Milliarden Euro kalkulierte Projekt voraussichtlich um 370Millionen Euro teurer wird. dapd/loj