Sozialkompetenz will das Rote Kreuz an seiner Landesschule nahe Freudenstadt vermitteln. Doch nicht alle Dozenten sind da selbst sattelfest: In zwei Fällen wurden jetzt der Schulleiter und eine Lehrerin vom DRK-Landesverband gerüffelt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart / Freudenstadt - Sozialkompetenz hat für die Landesschule des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Pfalzgrafenweiler bei Freudenstadt einen hohen Stellenwert. Bildung sei „mehr als bloße Wissensvermittlung“, sie betreffe „den ganzen Menschen“, heißt es im Leitbild der Einrichtung, die DRK-Mitarbeiter aus dem Südwesten für alle Einsatzfelder rüstet. Daher lege man großen Wert auf eine „offene, ehrliche und wertschätzende Kommunikation.“ Lehrer und Leitung verstünden sich als Vorbild, seien aber auch selbst Lernende: Kritik helfe ihnen, immer besser zu werden.

 

Mit der Vorbildfunktion haperte es zuletzt etwas. Gleich in zwei Fällen gab der Umgang mit Kursteilnehmern für den Rettungsdienst Anlass zur Kritik. Dabei missglückte die Kommunikation derart, dass die DRK-Führung in Stuttgart mahnende Worte sprechen musste.

Dozentin droht mit schlechten Noten

Erst war es eine Dozentin, die sich vielleicht zu offen, aber zu wenig wertschätzend an die Schüler wandte. Ungehalten war sie darüber, dass sich nicht genug Freiwillige gemeldet hatten, um Flüchtlingszüge von Bayern nach Mannheim zu begleiten. Für die Gründe der Zurückhaltung zeigte sie kein Verständnis. Sollten einige Auszubildende „das Bedürfnis haben, sich weiterhin über banale Dinge zu beschweren, wird es für mich schwierig werden, die soziale und personale Kompetenz als positiv zu bewerten“, drohte sie per Rundschreiben. Alle sollten sich nochmals gut überlegen, ob sie nicht doch zur Verfügung stünden. Die DRK-Landesleitung wolle, dass „jeder einmal anwesend“ sei, zumal der Einsatz sicher lehrreich sei. Wer sich weigere, bekomme schlechte Noten – so wurde die Botschaft zumindest teilweise verstanden. Bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Rottweil ging deswegen sogar eine anonyme Strafanzeige ein. Doch die Ermittler sahen laut einem Sprecher keinen ausreichenden Anfangsverdacht, um wegen Nötigung tätig zu werden.

Dafür reagierte das Rote Kreuz: Es habe natürlich „keine negativen Auswirkungen auf die Beurteilung“, wenn jemand nicht in den Zügen mitfahre, stellte ein Sprecher des Landesverbands klar. Die Formulierung der Dozentin sei fraglos „unglücklich“ und wohl der Hektik der Situation geschuldet gewesen. Niemand habe die Kursteilnehmer unter Druck setzen wollen. Jene, die tatsächlich Flüchtlinge begleiteten, hätten sich „sehr positiv“ geäußert.

Klassen diskutieren über Alkohol-Vorfall

Im zweiten Fall war es der Schulleiter persönlich, der mit einer merkwürdigen Aufgabe Irritationen auslöste. Zwei Klassen sollten sich mit folgendem Szenario beschäftigen: eine Schülerin oder ein Schüler – offenkundig der DRK-Schule – müsse nach übermäßigem Alkoholkonsum nachts vom Rettungsdienst ins Krankenhaus gebracht werden. Dort verhalte er oder sie sich renitent, woraufhin der betreuende Arzt sich bei der Schulleitung melde. Dabei gebe er zu bedenken, ob so jemand „für die Tätigkeit im Rettungsdienst geeignet ist.“ Darüber und über eine angemessene Reaktion sollten die Klassen diskutieren und ihre Ergebnisse dann schriftlich der Schulleitung übermitteln.

Die angehenden Rettungsdienstler ahnten prompt, dass hinter der abstrakten Schilderung ein konkreter Vorgang stand. Aber war das ein angemessener Umgang damit? Sollte der oder die Betroffene damit an den Pranger gestellt werden? Hatte der Arzt, der die Schule informierte, nicht womöglich seine Schweigepflicht verletzt? Solche Fragen kursierten bald über die Klassen hinaus.

„Prangerwirkung war nicht beabsichtigt“

Jawohl, bestätigt der Sprecher des DRK-Landesverbands, einen solchen Fall habe es „bedauerlicherweise wirklich gegeben.“ Ein Prangereffekt sei indes nicht beabsichtigt gewesen: Die betroffene Person habe von der Aufgabenstellung gewusst und damit kein Problem gehabt; inzwischen sei sie ohnehin zu ihrem Kreisverband zurückgekehrt. Zwischen Krankenhaus und Schule habe es tatsächlich einen telefonischen Kontakt gegeben. Dabei sei es um die Frage gegangen, wohin der oder die Betroffene nach dem Klinikaufenthalt komme.

Über den Vorfall und alle damit verbundenen Fragen – auch nach der Schweigepflicht – hätten die Schüler ausführlich diskutiert; der Lernauftrag sei somit erfüllt worden. Die Schule habe aber auch selbst aus der Sache Lehren gezogen, versichert der DRK-Sprecher: Man werde bei der Formulierung von Aufgaben künftig noch mehr auf einen „gewissen Abstrahierungsgrad“ achten. Das passt dann wieder zum Leitbild: Aus jeder Kritik, heißt es da, „lernen wir und entwickeln uns stetig weiter“.