Beim neuen Leipzig-Tatort sind unserem Autor trotz Geschrei, Geschubse und Kunstblut die Füße eingeschlafen. Einschalten sollte nur, wer auf Wiedergänger gefasst ist.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Leipzig - Wo gemordet und gestorben wird, ist häufiger Aggression am Werk. Das sollte trotz aller Bemühungen der Tatort-Reihe um psychologische Erklärungen und zeitgenössische Bezüge ganz grundsätzlich nicht in Vergessenheit geraten, und aggressive Menschen werden auch in der jüngeren Tatort-Geschichte immer wieder überzeugend dargestellt, vergangenes Jahr zum Beispiel beim München-Tatort.

 

Am Sonntagabend und anschließend in der Mediathek ist im Ersten ein weniger gutes Beispiel zu sehen. Der Leipzig-Tatort „Blutschuld“ schildert eine Firmen- und Familientragödie. Die Nerven liegen blank – so blank, dass ständig irgendjemand durch die Gegend geschubst wird, die Leute schreien und wild um sich schlagen und, das darf man vorab verraten, am Ende sind fast alle tot. Das wirkt leider mehr aufgesetzt als actionreich und ermüdet mit der Zeit.

Man schaut mit den Augen

Nicht weniger nervig ist das Ermittlerduo: Kommissar Andreas Keppler (Martin Wuttke) muss ständig alles anfassen; man will ihm fast ein „Man schaut mit den Augen, nicht mit den Händen“ zurufen und fühlt sich dann deshalb schlecht. Eva Saalfeld (Simone Thomalla) gibt sich allseits verständig und lebensklug, ist aber wie Keppler nicht nur mit dem Fall, sondern auch mit dem Gepoltere um sie herum überfordert.

Mit dem Bodensee-Tatort hat das Leipziger Ermittlerduo gemein, dass seine Tage gezählt sind. Am Sonntagabend kommt eine zweite Gemeinsamkeit hinzu: der Hauptverdächtige ist derselbe, zumindest der selbe Schauspieler – genau deswegen gibt es doch einen „Tatort-Koordinator“, oder?

Noch vor einer Woche gab Uwe Bohm den fiesen Konstanzer Unternehmer. Jetzt spielt er alias Christian Scheidt eben den ehemaligen Geschäftspartner des erschlagenen Abfallunternehmers Kosen, und wie schon in seiner Konstanzer Rolle hat er ein mögliches Motiv. Diesmal: Scheidts Tochter wurde vor Jahren von Kosen überfahren, war also vielleicht Rache im Spiel?

Wem jetzt beim Lesen noch nicht die Füße eingeschlafen sind, der soll gerne einschalten. Allen anderen sei empfohlen, sich für den Sonntagabend ein Alternativprogramm zu überlegen. Es bleibt schließlich noch eine weitere Gelegenheit, sich vom Leipziger Ermittlerduo zu verabschieden.

Der Tatort „Blutschuld“ im Kurzcheck

Schönste Krimifloskel: Mangels markiger Sprüche geht dieser Preis diesmal an ein fast schon floskelartiges Phänomen in TV-Krimis: „moderne“ Kommissare, die am Tablet durch Ermittlungsakten wischen.

Heimliche Stilikone: Natürlich der Wiedergänger Uwe Bohm, der diesmal noch ein ganzes Stück irrer schauen darf als vergangene Woche in Konstanz. Eine Speichelprobe muss er aber auch diesmal machen. Ob aller guten Dinge drei sind und wir ihn am nächsten Sonntag beim Frankfurt-Tatort noch einmal erleben?

Gefühlter Moment, in dem der Fall gelöst ist: Im eigentlichen Sinne gelöst wird der Fall nicht.