Die Ermittlungen führen die Dortmunder Kommissare Faber und Co. in die Neonazi-Szene. Den Zuschauer erwarten scharfzüngige Dialoge und ein komplexer Plot. Allein wegen des Themas ist Einschalten Pflicht.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Dortmund ist eine Hochburg der rechten Szene; im vergangenen Jahr ist die Zahl der Straftaten von Rechtsextremisten dort um 30 Prozent gestiegen. Also nur konsequent, wenn die neueste Dortmunder Ausgabe des Sonntagskrimis in das Dumpfbacken-Milieu der Neonazis eintaucht, schon allein wegen des Themas ist Einschalten Pflicht. Allerdings kommen die Rechten, denen Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) und sein Team bei den Ermittlungen gegenübertritt, nicht nur dumpfbackig, sondern, etwa in Person des Germanistikstudenten Nils Jacob (Frank Pätzold), bürgerlich brav geschniegelt daher. Die Botschaft ist klar: Der Tatort „Hydra“ (Sonntag, 11. Januar, 20.15 Uhr, ARD) soll die „erschreckende Raffinesse der neuen Neonazi-Szene und auch deren schleichende Verstrickung in die unterschiedlichsten Bereiche unserer Gesellschaft“ zeigen, wie die Regisseurin Nicole Wegmann im Presseheft sagt, wodurch auch der Titel erklärt ist: „Hydra“ ist in der griechischen Mythologie ein schlangenartiges Ungeheuer. Wenn es einen Kopf verliert, wachsen ihm zwei nach.

 

Ausgangspunkt der Filmhandlung ist der Tod des Kopfes der Dortmunder Neonazis, Kai Fischer. Wurde er erschossen, weil er seine „Nationalisten“ mit den Nazi-Skinheads im Stadtteil Dorstfeld vereinigen wollte, was nicht allen seinen braunen Gefolgsleuten gepasst hat? Oder wurde er das Opfer eines Racheakts? Fischer war verdächtigt worden, den Mann von Jedida Steinmann (als verhärmte Witwe großartig: Valerie Koch) totgetreten zu haben – die Jüdin hätte also ein handfestes Motiv gehabt. Es wird viel politisiert in „Hydra“, Argumente fliegen hin und her, und überhaupt sind die Dialoge so rasant und scharfzüngig wie noch nie. Vor allem der Kommissar Peter Faber haut eine geschliffene, ironiegetränkte Sentenz nach der anderen raus. Der Drehbuchautor Jürgen Werner scheint sich in Fahrt geschrieben zu haben, doch er überdreht den verbalen Pointen-Motor – und hängt damit den Zuschauer eher ab als ihn mitzureißen. Auch die vielen persönlichen Verstrickungen – Daniel Kossiks (Stefan Konarske) Bruder Tobias (Robert Stadlober) etwa steckt auch tief drin im braunen Sumpf – und der komplexe Plot bremsen den Zuschauer aus. Das ist schade, denn wer der Täter tatsächlich ist, ahnt man erst in den letzten Minuten. Die Spannung wird zwar bis zum Schluss gehalten, packend ist der Krimi trotzdem nur stellenweise.

Schauspielerisch trumpft Aylin Tezel auf: Die Konfrontation mit den Rechten setzt vor allem ihrer Nora Dalay zu, zumal Faber sie als Provokateurin einsetzt; die toughe Deutsch-Türkin ist als „Türkenfotze“ für die Neonazis eine willkommene Zielscheibe. Das nimmt Dalay, die die Abtreibung ihres Kindes noch nicht verarbeitet hat, persönlich. Sie schlägt verbal zurück – und wird deshalb Opfer einer demütigenden Attacke. Wut, Scham, Verzweiflung: Tezel bringt die dunklen Töne der Gefühlspalette sehr überzeugend rüber – Chapeau!

Der Tatort aus Dortmund im Kurzcheck

Schönste Krimifloskel: Die Auswahl fällt schwer, denn eine Pointe jagt die andere. Am schönsten: „So ein Blick macht Merkel-Backen“, sagt der Pathologe, als Nora Dalay am Morgen nach ihrem Opfer-Erlebnis mies drauf ist.

Heimliche Stilikone: Weil der durchgeknallte Peter Faber gegenüber seiner so herrlich sachlich-vernünftig und dabei nie prüden Kollegin Martina Bönisch (Anna Schudt) klagt, er habe nicht einmal einen Kaktus zum Reden, stellt sie ihm am nächsten Tag ein putziges Stachelding auf den Schreibtisch. Süß!

Gefühlter Moment, in dem der Fall gelöst ist: Ein Foto bringt Faber und Bönisch nur wenige Minuten vor dem Schluss auf die richtige Fährte. Die beiden sind in ihrer Gegensätzlichkeit ein wirklich starkes Duo. Mit den beiden kann das noch spannend werden!