Die baden-württembergische Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) macht sich dafür stark, Unternehmen und Selbstständige steuerlich stärker zu entlasten als dies die große Koalition vorsieht. Die Grenzen für die Sofortabschreibung sollen steigen. Dazu bringt das Land im Bundesrat einen Antrag ein.

Berlin - Manchmal geht es in der Politik ganz schnell: Seit Langem machen sich die Wirtschaftspolitiker der großen Koalition in Berlin für großzügigere Abschreibungsregeln stark. Vor allem der Wirtschaftsflügel der Union trieb das Thema voran. Es geht um die Frage, in welchem Zeitraum zum Beispiel der Laptop, das Geschäftshandy oder der Bürostuhl steuerlich abgeschrieben werden. Für die Finanzverwaltung handelt es sich um sogenannte geringwertige Wirtschaftsgüter. Bis jetzt können Güter bis zum Wert von 410 Euro im Jahr der Anschaffung komplett abgeschrieben werden. Der Bundestag entschied in dieser Woche, dass künftig Anschaffungen bis 800 Euro sofort von der Steuer abgesetzt werden dürfen. Die höhere Wertgrenze führt dazu, dass mehr Steuerpflichtige vom Sofortabzug profitieren. Das führt bei den Unternehmen zu mehr Liquidität. Gelten sollen die neuen Regeln vom 1. Januar 2018 an.

 

Entlastung um 4,6 Milliarden Euro

Der Beschluss erzeugte kaum Aufmerksamkeit, obwohl er in den nächsten Jahren zu nennenswerten Entlastungen bei den Steuerpflichtigen führt. 2018 werden Firmen und Selbstständige um knapp 400 Millionen und in den Jahren 2019 und 2020 um je rund 1,6 Milliarden Euro entlastet. Über den Zeitraum von 2018 bis 2022 kostet die Maßnahme den Staat 4,6 Milliarden Euro. Das ist auch der Grund, weshalb sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lange sperrte. Der Gesetzentwurf wird nun dem Bundesrat zugeleitet. Die baden-württembergische Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) sagte dieser Zeitung, dass sie in der Länderkammer Verbesserungen im Sinne der Betriebe erreichen will. Die Landesministerin bringt einen Antrag in den Bundesrat ein, in dem eine Obergrenze für die Sofortabschreibung von 1000 Euro gefordert wird. Ihre Begründung: Damit könne die Buchhaltung der Unternehmen von Bürokratie befreit werden. Sitzmann hofft, dass sich der Initiative weitere Länder anschließen.

Die Grünen-Politikerin begrüßte, dass die große Koalition die Abschreibungsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter erhöht. Ihr geht das geplante Gesetz aber nicht weit genug: „Der Kompromiss der großen Koalition lässt eine entscheidende Möglichkeit ungenutzt, die Abschreibungen einfacher zu machen“, sagte Sitzmann. Wenn der Gesetzgeber die Grenze auf 1000 Euro anhebt, würden Betriebe und Steuerverwaltung von bürokratischen Lasten befreit. Das liegt daran, dass es neben der Sofortabschreibung noch eine weitere Möglichkeit für die Betriebe gibt: Sie können nach dem geltenden Recht Wirtschaftsgüter im Wert von 150 bis 1000 Euro in einen Sammelposten aufnehmen und über fünf Jahre hinweg abschreiben. Das wird Pool-Abschreibung genannt. Diese Möglichkeit soll nach dem Gesetzentwurf der großen Koalition künftig weiter bestehen. „Im Vergleich zur Sofortabschreibung ist das immer noch zu viel Verwaltungsaufwand“, sagte Sitzmann. Sie plädiert dafür, mit der erhöhten Wertgrenze die Pool-Abschreibung überflüssig zu machen. „So eine Chance für weniger Bürokratie muss man einfach nutzen.“

Vorschlag des Landes ist deutlich teurer

Mit dem baden-württembergische Modell müssten Betriebe und Selbstständige weniger Steuern zahlen. Der Vorschlag aus dem Südwesten kostet den Staat nach einer ersten Schätzung zwischen 2018 und 2020 rund 1,8 Milliarden Euro mehr. Das ist eine beachtliche Größenordnung. Schon deshalb lässt sich leicht voraussagen, dass Sitzmann bei ihren Länderkollegen keine Begeisterungsstürme entfachen wird. Sie argumentiert damit, dass die Steuerausfälle nicht von Dauer seien. Im Gegensatz zur Abschreibung auf mehrere Jahre hinaus führt die Sofortabschreibung dazu, dass sich der Steuervorteil gleich bemerkbar macht. Ansonsten würde sich der Vorteil auf mehrere Jahre verteilen. Über einen längeren Zeitraum betrachtet fließe dem Staat genauso viel Geld zu. Die Einnahmen verschieben sich aber. Sitzmann hält die Mindereinnahmen in den ersten Jahren aus Landessicht für vertretbar. Gegenüber dem Vorschlag der großen Koalition müsste das Land in den Jahren 2018 bis 2020 auf zusätzlich 180 Millionen Euro verzichten. Die Einnahmen flössen nur später in die Staatskasse, so Sitzmann.

Dass die Werte angepasst werden müssen, darin besteht über die Parteien hinweg Einigkeit. Die heute geltende Obergrenze ist vor mehr als 50 Jahren festgelegt worden. Christian von Stetten, Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand der Unionsfraktion, verspricht sich von der höheren Grenze einen Schub bei den Investitionen. „Wir hätten uns auch eine Anhebung der Grenze auf 1000 Euro vorstellen können“, sagte er. Das sei mit den Sozialdemokraten aber nicht zu machen gewesen.