Zwölf Jahre war Martin Götz Gemeindepfarrer in Renningen. Jetzt betreut er psychisch Kranke.

Renningen - „Ich war ja eigentlich mit Leib und Seele hier und auch gerne Gemeindepfarrer“, sagte Martin Götz vor gut 100 Zuhörern im evangelischen Gemeindehaus. Die evangelische und katholische Erwachsenenbildung Forum & Impuls Renningen hatte ihn eingeladen, über seine neue Tätigkeit zu sprechen. Die Zeit in Renningen sei eine gute Zeit gewesen, sagte er. Trotzdem verließ der Pfarrer vor einem Jahr die Rankbachstadt, um sich noch einmal einer neuen Herausforderung zu stellen.

 

Der 58-Jährige, der nach dem Theologie-Studium in Tübingen eine Ausbildung als klinischer Seelsorger in Ulm absolvierte, arbeitet seit einem Jahr am Zentrum für Seelische Gesundheit in Bad Cannstatt und am Psychiatrischen Behandlungszentrum Mitte in Stuttgart.

„Genaues und aktives Zuhören ist jetzt das Wichtigste“

Die Tätigkeit unterscheide sich sehr von der als Gemeindepfarrer. Während er in der Gemeinde zusammen mit den Gläubigen das kirchliche Leben gestaltete und eine Gemeinschaft bildete, begegne er Menschen nun in einem völlig anderen Zusammenhang. „Genaues und aktives Zuhören ist jetzt das Wichtigste“, erklärte Pfarrer Götz, der nach wie vor bei der Württembergischen Landeskirche angestellt ist. Er komme nicht aus der Klinikhierarchie und könne deshalb „face to face“, also auf Augenhöhe, mit den Erkrankten reden.

Es sei wichtig, einen Raum des Vertrauens zu schaffen. Bei jedem Gespräch müsse man genau aufpassen, was man sage, um eine vorhandene Psychose nicht zu verstärken oder gar zu aktivieren, so seine Erfahrung mit psychischen Erkrankungen.

Neugierde ist verboten

Bewertungen von Krankheitsbildern oder Verhaltensweisen seien eigentlich verboten, so Martin Götz, ebenso wie Neugierde. Vielmehr gelte es, den Menschen zu helfen, Kraft zu finden oder ihnen Erleichterung zu verschaffen. Eine riesengroße Hilfe sei es, wenn das familiäre Umfeld des kranken Menschen stimme. Man dürfe bei dieser Arbeit auch keine Angst haben vor der Frage nach dem Sinn des Lebens. Seiner Erfahrung nach haben es Menschen, die nicht in einer Religion verwurzelt sind, auch als Psychiatriepatienten oft viel schwerer.

„Wir suchen gemeinsam immer etwas, das sie trägt“, erklärte der Seelsorger. „Wir sind es unseren Mitmenschen schuldig, sie auf der Suche nach etwas Unzerstörbarem zu unterstützen“, so Martin Götz und sagte weiter: „Man wird bei dieser Arbeit sehr bescheiden.“ Der evangelische Klinikseelsorger arbeitet mit seinem katholischen Kollegen ökumenisch zusammen. Die Konfession spiele dabei kaum eine Rolle. Er finde es sehr gut von den Kirchen, dass sie bei diesen Stellen nicht gekürzt, sondern sie beide wiederbesetzt haben. Denn man dürfe die psychisch Erkrankten, die oft keine große Lobby hätten, nicht allein lassen.