Es gebe keinen 14-Jährigen, der noch keinen Porno gesehen hat, und mit Dating-Apps testen Jugendlichen ihren Marktwert. Das sind Thesen des Waldorflehrers Tim Trepte. Er gab jüngst in Sillenbuch einen Crashkurs in Medienerziehung.

Sillenbuch - Die Zuhörer würden „schockiert und informiert“ zugleich nach Hause gehen, hatte der Referent versprochen. Und wirklich gab es am Ende des offenen Elternabends in der Waldorfschule Silberwald am vergangenen Freitag nachdenkliche Gesichter. Tim Trepte, Klassenlehrer an einer Waldorfschule in Marburg und Jugendmedienschutzbeauftragter, präsentierte eine Fülle von Informationen zum Thema „Pubertät 2.0 - Vom Umgang mit Medien. Einblicke ins digitale Kinderzimmer“. Dabei stützte er sich auf ein Handbuch seines Kollegen Günter Steppich, der für mehrere staatliche Ämter in Hessen als Fachmann für Jugendmedienschutz tätig ist (www.medien-sicher.de). Tim Trepte untermauerte die Fakten mit Beispielen aus der Praxis, die er zum Teil sehr unterhaltsam vortrug.

 

Permanente Manipulation im Netz

Sein Vortrag glich einem Crashkurs in Medienerziehung. Obwohl der Nachwuchs mit der schnellen technischen Entwicklung besser Schritt hält als die „Generation Kassettenrekorder“, scheint es um die Medienkompetenz nicht gut bestellt zu sein. „Die Schüler sind immer noch der Meinung, dass viele Seiten des Internets kostenlos sind, weil sie von Gutmenschen angeboten werden“, erläuterte Trepte. Ihnen sei nicht bewusst, wie Werbung im Internet funktioniere: „Da sind die Päckchen schon gepackt, bevor die Leute überhaupt bestellt haben. Man muss sich bewusst sein, dass man permanent manipuliert wird.“

Soziale Medien wie Facebook und Whatsapp, die mehr private Daten sammeln würden als früher die Stasi in der DDR, kosten viel Zeit. „Die Kinder telefonieren nicht mehr, sie schicken Nachrichten und brauchen drei Stunden, um sich zu verabreden“, gab der Referent zu bedenken. Zwischen 22 und 7 Uhr machen in einem Klassenchat etwa 500 Nachrichten die Runde und jegliche Erholung zunichte. „Die einzige Chance: Das Handy darf nachts nicht ins Kinderzimmer“, riet er.

Tim Trepte Foto: Sabine Schwieder

Im Netz werden oft freizügige Fotos veröffentlicht, die eigentlich unter das Jugendschutzgesetz fallen, berichtete Trepte. Dating-Apps nutzten die Jugendlichen als Bestätigung dafür, wie attraktiv sie sind. „Heute senden Kinder live Videos von sich aus dem Kinderzimmer, und man kann sie leicht dazu bringen, Namen und Adresse preiszugeben“, warnte der Jugendmedienschutzbeauftragte. Auch gebe es mittlerweile keinen 14-Jährigen, der noch keinen Porno gesehen habe.

Der PC sollte im Wohnzimmer stehen

Für alles, was ihre Kinder im Netz tun oder auch durch Cybermobbing erleiden, sind die Eltern verantwortlich, behauptete Trepte. „Die Kinder haben keinen Handyvertrag abgeschlossen. Das haben die Erwachsenen getan.“ Er riet seinen Zuhörern, sich die Kontrolle über die Medien nicht aus der Hand nehmen zu lassen: „Wenn der von allen genutzte Computer im Wohnzimmer steht, ist die Hemmschwelle geringer“, sagte er. Und ein Handynutzungsvertrag mit klaren Regeln, den die Eltern mit ihrem Nachwuchs abschließen, kann verhindern, dass Jugendliche das Smartphone so nutzen, dass sie es später bereuen.

„Medienkompetenz ist Erziehungssache“, machte er seinen Zuhörern klar. Ferner merkte der Referent kritisch an, dass Erwachsene trotz Handyverbot auf dem Schulhof telefonierten: „Was soll die Schule machen, wenn uns die Eltern in dieser Hinsicht nicht unterstützen?“