Vor 22 Jahren hat sich die Arge Nord-Ost gegründet, um den Nordostring zu verhindern – und sie wähnte sich mittlerweile am Ziel. Doch die Gemeinschaft sieht sich anlässlich politischer Entscheidungen veranlasst zu handeln.

Stuttgarter Norden - Fast auf den Tag genau vor 22 Jahren hatte sich die „Arbeitsgemeinschaft NORD-OST“ (Arge Nord-Ost) in der Zuffenhäuser Zehntscheuer als Verein konstituiert. „Initialzündung dafür war der Plan zur Nordostumfahrung“ gewesen, erinnerte der Arge-Vorsitzende Joseph Michl nun bei einer Veranstaltung in der Zehntscheuer. Zweck des Vereins war und ist laut Satzung die „Förderung des Umwelt- und Landschaftsschutzes“ sowie der Erhalt der Freiflächen von dem nordöstlich des Stadtbezirks gelegenen Langen Feld bis zum Schmiedener Feld auf der anderen Seite des Neckars. Diesbezüglich war der Verein zwei Jahrzehnte sehr erfolgreich.

 

„Und wir dachten, er sei beerdigt“

Zum Feiern war jetzt allerdings niemandem zumute. Im Gegenteil! Im Jahr 2003 hatte die damalige Bundesregierung zwar den Ring quasi mit einem Planungsverbot versehen: „Und wir dachten, er sei beerdigt. Doch jetzt kommt er wieder, mit aller Macht“, stellte Annemarie Raab von der mitveranstaltenden Schutzgemeinschaft Krailenshalde bei der Begrüßung fest. Zweck des Abends war nun nicht zuletzt, deutlich zu machen, was die Situation aktuell so grundlegend verändert hat – und weshalb die Gegner des Nordostringes sich nun beinahe vor dieselbe Situation gestellt stehen wie vor 22 Jahren.

Im Grunde sind es drei „kleine Stellschrauben im Hintergrund“, in deren Zusammenspiel der Nordostring „ganz schnell kommen könnte“, wie ein Debattenbeitrag meinte. Bei der Darlegung der Faktoren lauschte die Versammlung so gebannt, als befände sie sich in einer Krimi-Lesung: Der erste Faktor ist der kürzlich verabschiedete Bundesverkehrswegeplan 2030, in dem der Nordostring nun plötzlich „mit Planungsrecht versehen ist“, wie Michl erklärte. Das heißt: „Er gilt als notwendig, und wenn Geld da ist, kann gebaut werden.“ Michl betonte, dass „die Grün-Schwarze Landesregierung diesem Plan im Bundesrat zugestimmt hat“.

Als „Luftreinhaltemaßnahme“ bezeichnet

Damit kommt die zweite Ebene ins Spiel, denn im Koalitionsvertrag – vor dem neuen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) unterzeichnet – wurde die Umsetzung des BVWP) vereinbart. Zudem konnte die CDU als Juniorpartner der Koalition in einem Kabinettsbeschluss vom 12. Februar dieses Jahres durchsetzen, „dass der Nordostring als Luftreinhaltemaßnahme für Stuttgart bezeichnet wird“, wie Michl formulierte. An diesem Punkt setzt als Drittes unter anderem auch der Regionalverband Stuttgart an, der neuerlich vehement den Bau des zirka zwölf Kilometer langen Ring-Stückes fordert.

Alles auf Anfang also für die Arge! „Es ist eine gefährliche Situation“, betonte Michl, „der Druck, den die CDU Richtung Realisierung macht, ist ganz erheblich“. Also legte er einmal mehr dar, wie durch die Trasse „wertvoller Freiraum zerstört würde“. Als landwirtschaftliche Fläche, mit „landesweit wichtigen Biotop-Strukturen, aber auch als Erholungsraum“. 31 Meter breit würde die „direkt am Sonnenhof“, einem Bauernhof in Mühlhausen, vorbeiführende Umfahrung, vierspurig plus Standstreifen: „Das entspricht dem Standard einer Autobahn, auf 70 000 Fahrzeuge pro Tag berechnet.“ Das strategische Ziel sei nicht lokal oder regional: „Es geht um den Fernverkehr, um eine kreuzungsfreie Verbindung zwischen A81 und A7 für den Fernverkehr, mit der entsprechenden gesundheitlichen Belastung für die Bevölkerung“, führte Michl aus. Stück für Stück zerpflückte er dann die von den Planern als Baugrund zugrunde gelegten Zahlen für den prognostizierten Verkehr, die teils schon jetzt in eklatantem Widerspruch zu amtlichen Zählungen stünden. Das war der zweite Krimi, den die Besucher geboten bekamen. Michl schloss: „Die Zahlen sind gelogen. Deshalb muss man den Gegendruck jetzt aufbauen. Bevor es zu spät ist.“