Der Sea-Watch-Aktivist Mattes Szodrak wollte einen Vortrag über die Rettung von Flüchtlingen halten, die auf dem Mittelmeer in Seenot geraten. Doch dann stürmten rechte Störer die Bühne in der Zuffenhausener Zehntscheuer.

Zuffenhausen - Es war nicht ihre Bühne, doch gerade als der Referent Mattes Szodrak mit seinem Vortrag über die Seenotrettung Geflüchteter beginnen wollte, stürmte eine Handvoll Rechtsextremer die Bühne in der Zuffenhäuser Zehntscheuer. „Heuchler, es geht euch nur um den Profit“, skandierten die Anhänger der sogenannten Identitären Bewegung (IB) in Richtung Publikum, das nicht so recht begreifen konnte, was hier gerade abging. Waren die fast 70 Gäste doch gekommen, um von dem Zuffenhäuser Rettungssanitäter zu erfahren, wie er und zahlreiche Ehrenamtliche der Organisation Sea-Watch tausende Menschen vor dem Ertrinken auf dem Mittelmeer gerettet haben.

 

Die Aktion am Mittwochabend kann wohl vor allem dank des Referenten als kurz und schmerzlos zusammengefasst werden. Denn ohne zu zögern baute sich Szodrak vor der Gruppe auf und forderte die „armen Würstchen“ auf, den Saal umgehend zu verlassen. Zur Erleichterung des Publikums, das im ersten Moment noch dachte, der Auftritt könnte Teil der Show sein, folgten die Männer seiner nachdrücklichen Bitte und verschwanden schneller, als sie gekommen waren.

„Da ging mein Nazi-Radar an“

„Ich habe es mir gedacht, als ich die Typen nervös in der ersten Reihe sitzen sah. Da ging schon mein Nazi-Radar an“, sagte Szodrak, der seine Aufregung mit ein wenig Humor zu bekämpfen versuchte. Die Gruppierung hat bereits häufiger mit ähnlichen Aktionen Schlagzeilen gemacht.

Leicht fiel dem 34-Jährigen der Einstieg danach nicht, doch zunächst galt es den Leuten zu erklären, was es mit dem Slogan der Identitären auf sich hat. „Uns wird neuerdings vorgeworfen, mit Schleusern zu kooperieren“, sagte er. Getreu dem Motto, die Seenotrettung durch die gemeinnützige Organisation sei Teil der bezahlten Flucht, die die Menschen vom afrikanischen Kontinent in Richtung Europa antreten. Das sei natürlich völliger Quatsch, sagte Szodrak, der bereits bei zwei Einsätzen der Sea-Watch dabei gewesen ist und im Juli zu seinem dritten aufbrechen wird.

Sea-Watch wurde im Mai 2015 gegründet

Gegründet wurde der Verein Sea-Watch im Mai 2015 unter anderem durch den Berliner Harald Höppner. Höppner, der dem Sterben auf dem Mittelmeer nicht mehr zusehen wollte, initiierte die Initiative 2014, kaufte einen 100 Jahre alten Fischkutter und lies ihn zur Sea-Watch I umbauen. Dank zahlreicher Spenden von bislang rund 12 000 Unterstützern konnte vor einem Jahr ein zweites, moderneres Schiff, die Sea-Watch II, angeschafft werden. Bestückt mit einer Besatzung aus circa 14 Mitgliedern aus ganz Europa und ein bis zwei Journalisten fahren die Retter zwischen März und November von Malta aus zu mehreren 14-tägigen SAR-Einsätzen, also Such- und Rettungsaktionen, auf das Mittelmeer. „Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang halten wir Ausschau nach Flüchtlingsbooten“, erklärte Mattes Szodrak. Auf dem Radar seien die oft kleinen und maßlos überladenen Schlauchboote gar nicht auszumachen. Eine Herausforderung also, handle es sich doch um ein Gebiet so groß wie das Saarland. „Die Einsätze sind hart und anstrengend“, sagte der Rettungssanitäter, der mit einer Ärztin auf dem Schiff für die medizinische Versorgung der Geretteten zuständig ist.

Szodrak sieht es als seine humanitäre Pflicht an, denen zu helfen, „die nicht die gleichen Rechte wie wir haben“. Eigentlich sei dies die Aufgabe der EU und nicht Ehrenamtlicher. „Wir fordern legale Einreisewege für Menschen auf der Flucht“, betonte er. Solange das nicht der Fall ist, möchte die Organisation „die Lücke einer institutionalisierten, flächendeckenden Seenotrettung mit klarem Mandat“ so lange wie möglich und im Rahmen ihrer Möglichkeiten füllen. Bislang konnte Sea-Watch, die eng mit der italienischen Küstenwache zusammenarbeitet, fast 12 000 Menschen retten. Freiwillige, die auf dem Schiff anheuern möchten, können sich auf der Internetseite der Organisation bewerben.

Weitere Infos unter: www.sea-watch.org