Der Marbacher Stadtarchivar Albrecht Gühring widerlegt in einem Vortrag die Legende vom frühen Demokraten Konrad Vaut. Der Maibaumverein und Pro Alt-Cannstatt wollen an diesem Dienstag eine Konrad-Vaut-Gedenkstele einweihen.

Bad Cannstatt/Zuffenhausen - Der in Zuffenhausen gebürtige Konrad Vaut steht im Gedächtnis auf einem hohen Sockel. Er hatte Herzog Ulrich, dem „terroristischen Willkürherrscher“, so Referent Albrecht Gühring, die Stirn geboten und war dafür als „Majestätsverbrecher“ verurteilt und im Jahr 1516 auf dem Stuttgarter Marktplatz hingerichtet worden. Ein Justizmord erster Güte, woran auch eine bekannte Bemerkung von Theodor Heuss erinnert, dem ersten Präsidenten der Bundesrepublik: „Keiner von all diesen knorrigen Kerlen gefällt mir so wie der Konrad Vaut. Ich geh’ nicht über den Stuttgarter Marktplatz, ohne zu denken: Da war’s, da haben sie ihn geköpft.“

 

Ein Satz, der noch heller leuchtet vor dem Hintergrund, dass nicht nur Heuss selbst, sondern eine lange Reihe berühmter Württemberger den weit verzweigten Linien der Vauts entstammen. So Wilhelm Hauff, Gustav Schwab, Eduard Mörike und Friedrich Hölderlin, auch Schelling, Uhland, Schiller. Beispielsweise. Halb Württemberg, so ein Bonmot, gehe auf die Vauts zurück. Der Sockel ist also nicht nur hoch, sondern auch sehr breit. Mit Nachkommen bis heute.

Mehr als naheliegend also, sich anlässlich des 500. Todestages mit Leben und Wirken des Konrad Vaut zu befassen, dem „legendären Vogt von Cannstatt“. Zumal Vaut in der lange als Standardwerk geltenden „Geschichte der Stadt Stuttgart“ von Hansmartin Decker-Hauff als „eines der ersten Opfer für die wirtembergische Democratie“ bezeichnet wird. Just an diesen frühen Demokraten sollte laut Ankündigung der von Volkshochschule und Evangelischer Kirchengemeinde veranstaltete Vortrag in der Zuffenhäuser Pauluskirche anknüpfen. Was Referent Albrecht Gühring, Stadtarchivar in Marbach und erster Vorsitzender des Vereins für Familienkunde in Baden-Württemberg, dazu vortrug, war dann aber ein Paukenschlag.

Als Märtyrer glorifiziert

Ein Paukenschlag, der ganz leise daher kam, denn Gühring breitete in seinem Vortrag akribisch die Genealogie der Vauts aus, vom 13. Jahrhundert bis zu Nachfahren der Gegenwart – und benannte schon dabei die „unreflektierte Übernahme alter und falscher Daten“. So weist er etwa nach, dass Vaut zwar in Zuffenhausen geboren wurde, allerdings nicht als Sohn des Zuffenhäuser Schultheißen Johannes Vaut, sondern eines Cannstatter Verwandten. In der Folge legte Gühring dar, dass Vaut „nicht als 80-Jähriger, sondern wohl als knapp 50-Jähriger“ hingerichtet wurde: „Teil einer im 19. Jahrhundert entstanden Legendenbildung, die Vaut als Märtyrer glorifiziert“.

Zentralmotiv dieser Legende ist auch, dass Konrad Vaut „sich für die Klasse der Unterdrückten eingesetzt habe“, im Zuge des Bauernaufstandes von 1514, verursacht durch die Verschwendungssucht des Herzogs und erhöhtem Abgabendruck: „Vaut wollte als Angehöriger einer privilegierten reichen Schicht, der Württembergischen Ehrbarkeit, deren Privilegien verteidigen“, stellte Gühring fest. Mit Erfolg, denn der im Zuge des Bauernaufstandes vom Landtag verfasste „Tübinger Vertrag von 1514, das erste Staatsgrundgesetz Württembergs, begünstigte die Ehrbarkeit“. Der Referent ergänzte: „Die damaligen Lobbyisten, zu denen Vaut zählte, wollten verhindern, dass ländliche Vertreter im Landtag sitzen.“

Hat Gühring damit also den Mythos von Vaut als Frühdemokraten vom Sockel gestürzt? Ein Mythos, dem selbst Heuss aufgesessen war? Im Gespräch danach bestätigt der Referent die Einschätzungen: „Das ist auch mir selbst erst jüngst klar geworden. Das wurde vor 150 Jahren gedruckt und dann immer weiter übernommen. Es gibt keinen einzigen Hinweis, dass Vaut sich für die Bauern, denen es miserabel ging, eingesetzt hat. Er hätte da in Erscheinung treten müssen. Er hat sich aber nur für seine Klasse eingesetzt.“

Was hieße dies in die heutige Zeit übersetzt? „Da wäre Vaut wohl Manager oder Banker.“ Dass die Cannstatter den Mythos mit zwei aktuellen Stelen fortschreiben? „Die stehen jetzt ein bisschen im Regen. Die neuen Fakten sind noch nicht publiziert.“ Klar sei: „Konrad Vaut als ,früher Demokrat‘ , das muss jetzt neu bewertet werden.“