Alle seine innerparteilichen Gegner waren vor ihm in der Politik: Sie waren dabei, als die Erste Republik 1992/93 im Parteispendensumpf unterging; als Überlebenskünstler haben sie sich danach über alle Parteiwenden und -spaltungen hinweggerettet, mit Spielchen und Intrigen, wenn’s nicht anders ging; „und mit Berlusconi kungelnd“, sagt Renzi. „Wir dagegen sind das Neue“, ruft er, und auf die Frage aus der eigenen Partei, ob er es in seinem Alter nicht „arrogant“ finde, Italien regieren zu wollen, zieht er das Gesicht hoch, schaut von oben aufs Publikum und sagt ganz einfach: „Ja.“ Geduld könne er sich nicht leisten; „es war zu viel an Geduld, was Italien in die heutige Krise geführt hat.“

 

Sie mögen ihn auch deswegen nicht, die Parteisoldaten, weil Renzi sich ihrem ebenso beliebten wie heimtückischen Gesinnungstest „Sag doch mal was Linkes!“ verweigert und weil er unbefangen auch in rechten Gewässern angelt. Das sprengt das italienische Lagerdenken und beschämt das Establishment.

Bei der Parlamentswahl läge Renzi vorne

Die letzte Umfrage nämlich besagt Folgendes: Jung-Renzi könnte zwar die Urwahl verlieren, weil die linken Stammwähler das „Bewährte“, die „ruhige Hand“, bevorzugen, die sie im „Hausvater“ Bersani erkennen. Beim entscheidenden Test allerdings, bei der Parlamentswahl im März oder April, bekämen die Linken mit Renzi als Spitzenkandidat bedeutend mehr Stimmen als unter Bersani – 44 gegenüber 35 Prozent –, weil ihnen nur damit viele Wähler aus dem rechten, in Auflösung begriffenen Lager zuströmen würden. Das würde zwar die Sozialdemokraten in eine Identitätskrise stürzen, andererseits könnten sie unter Renzi alleine, ohne störende Koalitionspartner, regieren.

Wenn Renzi anträte, so eine weitere Erwartung, wird sich auf der gegnerischen Seite Silvio Berlusconi endgültig zurückziehen und im rechten Lager Platz machen für neue, konkurrenzfähige Kräfte. Gegen den 61-jährigen Bersani hingegen könnte der 76-jährige Berlusconi versucht sein, noch einmal anzutreten. Nicht umsonst hat er alle Weichenstellungen in der eigenen Partei auf nach den sozialdemokratischen Vorwahlen verschoben.

Sie mögen ihn nicht, den Jungen, der seit zwei Jahren so ungestüm die „Verschrottung“ des linken Establishments verlangt. „Mit den immer gleichen Gesichtern kriegen wir keine Wende für Italien hin“, ruft Renzi in die langgestreckte Bahnhofshalle hinein. Zwanzig Jahre lang seien die Alten – als unentschlossene Opposition, als zögerliche, im Dauerstreit nur kurzlebige Regierung – in den Berlusconismus „verwickelt gewesen“, rauschender Applaus. „Ich will nicht werden wie sie!“ Ein paar Stunden später, von Bersanis eigener Abschlusskundgebung in Bari, kommt als Echo zurück: „Ja, aber politische Erfahrung ist auch wichtig!“

Renzi trifft sich auch mit Börsenmaklern und Bankern

PD-Chef Bersani stammt aus der verflossenen Kommunistischen Partei; das Denken in der Logik des Apparats und die Sprache dazu hat er sich bewahrt. Gegen Renzi giftet er, weil dieser sich mal – um sich auch in einer parteifremden Welt vorzustellen – mit Mailänder Bankern und Börsenmaklern getroffen hat und weil zu Renzis Unterstützern ein Finanzmanager gehört, der einen Fonds in der Karibik verwaltet.

„Ich lasse mir nichts sagen von einem, der seine Basis auf den Cayman-Inseln hat“, zischte Bersani. Da klang, in italienischen Ohren, eine bittere Beschuldigung mit. „Der Kaiman“ – spätestens seit Nanni Morettis gleichnamigem Film ist das Silvio Berlusconi. Matteo Renzi in Berlusconis Nähe zu bringen bedeutet, ihn des Hochverrats anzuklagen. Lag ja nicht ferne, schließlich war Renzi, der keine Berührungsängste hat und Ideologien nicht akzeptiert, mal bei Berlusconi zum Abendessen. 1999 erst ist Matteo Renzi in die Politik eingetreten, frisch aus der katholischen Pfadfinderschaft und vom Jurastudium herkommend. Fast aus dem Stand wurde er in der Provinz Florenz zum Landrat gewählt und 2009 zum Oberbürgermeister.

Renzi verkörpert das Neue, das Ungeduldige

Alle seine innerparteilichen Gegner waren vor ihm in der Politik: Sie waren dabei, als die Erste Republik 1992/93 im Parteispendensumpf unterging; als Überlebenskünstler haben sie sich danach über alle Parteiwenden und -spaltungen hinweggerettet, mit Spielchen und Intrigen, wenn’s nicht anders ging; „und mit Berlusconi kungelnd“, sagt Renzi. „Wir dagegen sind das Neue“, ruft er, und auf die Frage aus der eigenen Partei, ob er es in seinem Alter nicht „arrogant“ finde, Italien regieren zu wollen, zieht er das Gesicht hoch, schaut von oben aufs Publikum und sagt ganz einfach: „Ja.“ Geduld könne er sich nicht leisten; „es war zu viel an Geduld, was Italien in die heutige Krise geführt hat.“

Sie mögen ihn auch deswegen nicht, die Parteisoldaten, weil Renzi sich ihrem ebenso beliebten wie heimtückischen Gesinnungstest „Sag doch mal was Linkes!“ verweigert und weil er unbefangen auch in rechten Gewässern angelt. Das sprengt das italienische Lagerdenken und beschämt das Establishment.

Bei der Parlamentswahl läge Renzi vorne

Die letzte Umfrage nämlich besagt Folgendes: Jung-Renzi könnte zwar die Urwahl verlieren, weil die linken Stammwähler das „Bewährte“, die „ruhige Hand“, bevorzugen, die sie im „Hausvater“ Bersani erkennen. Beim entscheidenden Test allerdings, bei der Parlamentswahl im März oder April, bekämen die Linken mit Renzi als Spitzenkandidat bedeutend mehr Stimmen als unter Bersani – 44 gegenüber 35 Prozent –, weil ihnen nur damit viele Wähler aus dem rechten, in Auflösung begriffenen Lager zuströmen würden. Das würde zwar die Sozialdemokraten in eine Identitätskrise stürzen, andererseits könnten sie unter Renzi alleine, ohne störende Koalitionspartner, regieren.

Wenn Renzi anträte, so eine weitere Erwartung, wird sich auf der gegnerischen Seite Silvio Berlusconi endgültig zurückziehen und im rechten Lager Platz machen für neue, konkurrenzfähige Kräfte. Gegen den 61-jährigen Bersani hingegen könnte der 76-jährige Berlusconi versucht sein, noch einmal anzutreten. Nicht umsonst hat er alle Weichenstellungen in der eigenen Partei auf nach den sozialdemokratischen Vorwahlen verschoben.

Unter der Hand aber, am selben Nachmittag, an dem Renzi sich in Florenz bejubeln lässt und Bersani nicht recht froh wird mit seiner nur 400-köpfigen Zuhörerschaft in der Fußgängerzone von Bari, verschiebt sich in der Hauptstadt das politische Gesamtgewicht auf unberechenbare Weise.

Der Sturm gegen das politische Establishment

In einem traditionsreichen römischen Filmstudio – Roberto Rossellini hat hier mit Anna Magnani gedreht – treffen sich mehr als 6000 Leute aus Italiens besserer Gesellschaft. Intellektuelle, Künstler, Unternehmer und Gewerkschafter, Jugend nicht gerade, aber alle weitab vom Betrieb der Parteien, blasen zum Sturm gegen das politische Establishment. Wie Renzi wollen auch sie diesen „verhängnisvollen 20 Jahren“ ihren Abschied geben, in denen sich alles – im Für und Wider – um Berlusconi gedreht hat, während die Reformen des Landes liegen geblieben sind.

Schmucklos-schwarz die Bühne, kaum technischer Schnickschnack: „Wir sind es satt, dass Italien in der Welt verlacht und seiner Ehre beraubt wird. Wir brauchen eine neue, breite Front aus bürgerlichen Kräften! Wir brauchen eine Regierung des Wiederaufbaus!“ So ruft es jener, der diese Bewegung um sich geschart hat: Luca Cordero di Montezemolo, 65, Chef des Luxuswagenbauers Ferrari und so etwas wie Grandseigneur der italienischen Industrie.

Der zweite Vater der Bewegung macht den Abschluss: Andrea Riccardi, Minister für Integration. Riccardi ist Kirchenhistoriker, Gründer der internationalen, politisch und sozial aktiven Gemeinschaft von Sant’Egidio. Dabei ist auch der Präsident der katholischen Arbeiterverbände, Andrea Olivero – die Bewegung ist mit voller Absicht katholisch geprägt.

Mario Monti soll weitermachen

60 000 Mitglieder soll die noch namenlose Organisation landesweit haben; aber noch fehlen ihnen – Montezemolo will nicht – politische Kandidaten. Die brauchen sie auch nicht. Montezemolo und Riccardi wollen die parlamentarische Hausmacht dafür sammeln, dass Mario Monti weitermachen kann. „Er steht ja erst am Anfang,“ sagt Riccardi – heftiger Applaus.

Monti selbst will sich vor keinen Karren spannen lassen. Er weiß auch, dass die voraussichtlichen Wahlsieger erbittert gegen ihn sind: Bersani oder Renzi, egal, jeder will selber regieren. Umfragen besagen, die neue „Pro-Monti-Bewegung“ könnte da ein Störpotenzial entfalten. Und bis zur Wahl sind es noch vier oder fünf Monate.