Laut Medienberichten soll sich Daimler im Zusammenhang mit den Kartellvorwürfen selbst angezeigt haben und könnte damit Volkswagen zuvorgekommen sein, um auf Straffreiheit zu hoffen.

Berlin - Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager recherchiert schon länger in Sachen möglicher illegaler Absprachen der deutschen Autoindustrie, hatte aber bisher noch nicht genügend belastbares Material, um an die Öffentlichkeit zu gehen. Das Bundeskartellamt ist auch involviert, aber die „EU-Kommission hat den Lead“, wie in Brüssel zu hören ist. Aus anderen Fällen in der Automobilbranche weiß man, dass die Recherchen der EU-Beamten langwierig sind. Es kann noch Jahre dauern, bis klar ist, ob die Vorwürfe zutreffen. Eine Bestätigung über eine förmliche Selbstanzeige von Daimler oder VW gibt es aus Brüssel nicht.

 

Die „Süddeutsche Zeitung“ meldete, dass der Daimler-Konzern (noch vor VW) als erster deutscher Autobauer eine Art Selbstanzeige in Brüssel hinterlegt hat mit dem Ziel einer Straffreiheit. Daimler soll sich indes in den vergangenen Jahren bereits zum Teil aus den Abspracherunden zurückgezogen haben. Wie die „Süddeutsche“ unter Berufung auf zwei Insider berichtete, geschah das, nachdem 2011 ein Lkw-Kartell aufgeflogen war.

Absprachen könnten auch die Technik betreffen

In Branchenkreisen ist zu hören, dass regelmäßige Treffen von Experten der Hersteller zu bestimmten Themen durchaus bekannt waren. „Wir wussten, dass sie sich austauschen“, sagten Insider. „Wir gehen davon aus, dass es um kartellrechtlich nicht relevante sogenannte vorwettbewerbliche Themen ging.“ Hier werden erst die weiteren Ermittlungen Klarheit bringen. Ein falscher Verdacht kann ein Unternehmen wirtschaftlich ruinieren. Daher geht die Behörde nur dann damit an die Öffentlichkeit, wenn sie Hinweise auf einen „hinreichenden Beweis“ hat. Offensichtlich ist dies im Fall der Vorwürfe von VW, Daimler, BMW, Porsche und Audi eben nicht oder noch nicht so weit.

Die Bundesregierung betonte auch am Montag, dass die Vorwürfe lückenlos aufgeklärt werden müssten. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach von einem zusätzlichen Imageschaden für die Branche. Der Aufsichtsratsvorsitzende von Volkswagen, Hans Dieter Pötsch, hat kurzfristig eine Sondersitzung des Kontrollgremiums für den kommenden Mittwoch einberufen, um die Vorwürfe einer Kartellbildung zu besprechen. Auch der Daimler-Betriebsrat forderte am Montag nach Bekanntwerden der Vorwürfe Aufklärung.

Der Stuttgarter Rechtsanwalt und Kartellexperte Karl Peter Mailänder betonte, dass grundsätzlich jede Absprache verboten sei, die den Zweck oder das Ergebnis hat, den Wettbewerb zu beschränken. Das könne auch die Technik betreffen, nicht nur Preisabsprachen oder andere Konditionen. Das deutsche und das europäische Kartellrecht seien heute die strengsten Ordnungen zur Erhaltung des Wettbewerbs, strenger auch als in den USA.