Wegen Rauschgiftschmuggels verliert Nürnberg zum Auftakt der Faschingssaison seine führenden „Tollitäten“. Der Schock geht tief, aber für eine „närrische Demokratie“ reicht’s noch nicht.

Nürnberg - Ein so langes Leben hätten sie haben können dieses Jahr. Sieben Wochen hätten sie lustig sein können, zu zweit und fast in Vollzeit. Aschermittwoch erst im März, wann gibt’s das sonst noch? Doch für Oliver I. und Assol I., die beiden Nürnberger „Tollitäten“, endete der Fasching noch kaum, dass er begonnen hatte. Und der großmächtige Festausschuss in „Narrenberg“ – auf diese Aussprache der mittelfränkischen Metropole führt der örtliche Dialekt das ganze Jahr über von selber hin – stand von einer Sekunde auf die andere ohne Prinzenpaar da. Ein unmöglicher, ein nie gesehener Zustand, Schock statt Spaß.

 

Gerne wüsste man, was sich die Polizeifahnder dachten, als Oliver G. (37) und seine Ehefrau Assol (32) standesgemäß am 11.11. vergangenen Jahres zum Prinzenpaar der Saison ausgerufen und am 8. Januar mit gebotenem Ernst inthronisiert wurden. Jedenfalls hatten sie den Inhaber einer Autofirma schon eine Weile auf ihrem Radar. Und wenige Tage nach der Inthronisierung krönten sie ihre Ermittlungen: In G.‘s Wagen beschlagnahmte die Polizei ein halbes Kilo Kokain, frisch aus Spanien importiert, und es soll nur eine von vier oder mehr entsprechenden Shoppingtouren gewesen sein. Vielleicht hätte man als Faschingsprinz ja so viel Stoff gebraucht, um eine närrische XXL-Saison dauertoll durchzustehen, aber derartige mildernde Umstände wurden in Nürnberg nicht angerechnet: Oliver G. sitzt in Untersuchungshaft, „und bis zu seinem Gerichtsprozess kommt er da nicht raus“, sagt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Faschingsorden für den Herrn der Polizei

Dann bemühte sich Narrenbergs Festausschuss darum, dass wenigstens Assol die mehr als 40 Tollitäten-Termine wahrnahm, allein zwar, aber um Vertragsstrafen vonseiten der 17 angeschlossenen Fastnachtsgesellschaften zu vermeiden. Und Assol machte ihre Sache wirklich gut – besonders am vergangenen Sonntag, als Joachim Herrmann bei der „Nürnberger Luftflotte des Prinzen Karneval“ den größten Faschingsorden Mittelfrankens überreicht bekam. „Wider die Neidhammel“, heißt er und der Ironiegehalt der dazugehörigen Festsitzung reicht für mindestens ein Jahrzehnt: Der Geehrte nämlich ist als bayerischer Innenminister höchster Hüter der Gesetze und der Chef der Polizei.

Dumm nur, dass jetzt auch Assol G. ins Visier der Ermittler geraten ist. Sie soll unterstützend bei den Importgeschäften ihres Prinzgemahls tätig geworden sein. Aber wenigstens sitzt sie nicht hinter Gittern; dann wären zwei Kinder alleine zu Hause geblieben.

Was nun? Noch nie wollte der Nürnberger Festausschuss einen Prinzen in die Wüste jagen, weder den einen, dem „im Rotlichtmilieu“ sein Zepter abhanden gekommen war, noch den Muskelmann aus dem Fitness-Studio, den seine Gläubiger bereits mit Haftbefehl suchten. Doch dann trat Assol G. von sich aus zurück, Oliver G. blieb polizeilich verhindert, dann entließ man ihn aus seinem Ehrenamt.

Feiern ohne Prinzenpaar? Geht nicht!

Dann schwang sich Nürnbergs Narrenbürokratie zu etwas auf, was Faschingschefin Angelika Wimmer schon aus Zeitgründen für „nicht mehr möglich“ eingeschätzt hatte: Sie wählten ein neues Prinzenpaar, diesen Donnerstag Abend und so in aller Stille, dass nicht einmal die Sozialen Medien davon Kunde bekamen. Außerdem sei, sagt Wimmler, „der ganze Computer verreckt“. Die Einladungen einzeln rumzuschicken, das schaffte sie gerade noch. Am Samstag um 13 Uhr wird Nürnbergs neue Regentschaft präsentiert.

Ein Fasching ohne Prinzenpaar, sagt Wimmer, das wäre ja auch wie „Kaffee ohne Sahne“. Nun gut, man hätte den italienischen Cappuccino zum Modell nehmen können, der kommt – ganz gut – mit Milchschaum aus. In diesem Sinne hat der Präsident des Fastnachtsverbands Franken, Bernhard Schlereth, einen kreativen Vorschlag gemacht. Nürnberg, sagte er im Bayerischen Rundfunk, könnte ja eine „närrische Demokratie“ ausrufen, mit einem närrischen Kanzler und dito Ministern. Keine schlechte Idee. Einen echten Minister hatten sie in Nürnberg sowieso gerade erst geehrt, Franke ist dieser Joachim Herrmann auch noch – und die Verkleidung als Sheriff, die war so unernst nicht gemeint.