Der aktive Vulkan Bárdarbunga auf Island spuckt nicht nur Lava aus, sondern auch Gase wie das giftige Schwefeldioxid. Am Montag haben Stationen im Alpenraum und im Schwarzwald das Gas gemessen. Grund für einen Alarm gab es aber nicht.

Stuttgart - Der Vulkanausbruch in Island hat für die Einwohner zunehmend unangenehme Folgen. Aus der Spalte am Bárdarbunga quillt nicht nur Lava, sondern auch Schwefeldioxid. Am 12. September wurde in einem östlichen Fjord eine Konzentration von 4000 Mikrogramm pro Kubikmeter erreicht. So viel Schwefeldioxid ist in einer isländischen Siedlung seit Beginn der Messungen im Jahr 1970 noch nicht erfasst worden.

 

Die Einwohner wurden aufgefordert, Türen und Fenster geschlossen zu halten. Gemäß einem Bericht des staatlichen Fernsehsenders roch die Luft wie hinter einem Dieselmotor. Selbst für gesunde Menschen sind die hohen Konzentrationen gefährlich. Mit Wasser wird das Gas zu schwefliger Säure, welche die Atemwege angreift. Am Montag zogen Schwaden der Gaswolke über Mitteleuropa hinweg. Im Alpenraum wurde das Gas von Messstationen im Schwarzwald, in Österreich und der Schweiz registriert. Die Konzentration lag jedoch unterhalb der offiziellen Alarm-Grenzwerte.

Zuletzt war viel von einer anderen Gefahr am Bárdarbunga die Rede gewesen: Die Caldera sackt ab, was ein Vorzeichen eines explosionsartigen Ausbruchs sein könnte. Doch das Absacken könne auch wieder stoppen, meinen die Experten des Isländischen Meteorologischen Instituts (IMO). Momentan ist das Schwefeldioxid das drängendere Problem. Bei der Stärke des Lavastroms ist das keine Überraschung. Laut dem IMO sind schon mehr als 400 Millionen Kubikmeter Lava aus der Spalte geströmt, eine im historischen Vergleich selten große Menge.

Ein internationales Warnzentrum gibt es bisher nicht

Bei Vulkanausbrüchen werden Gase frei, die im Magma gelöst waren – neben Wasserdampf, Kohlendioxid und anderen Gasen gehört auch Schwefeldioxid dazu. Dessen Konzentration wird nicht nur vor Ort gemessen. Die großräumige Ausbreitung lässt sich mit Satelliten verfolgen. Das Gas ist zwar unsichtbar, verrät sich aber, weil es Strahlung bestimmter Wellenlängen absorbiert. Sensoren im All erfassen die von der Erde reflektierte Sonnenstrahlung – nicht nur das sichtbare Licht, sondern auch die ultraviolette und die infrarote Strahlung. Im Ultraviolett- und Infrarotbereich gebe es Absorptionslinien, mit deren Hilfe sich die Gasmenge bestimmen lasse, erklärt der Physiker Pascal Hedelt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im bayerischen Oberpfaffenhofen.

Die Genauigkeit der Schwefeldioxid-Werte sei beschränkt, sagt Pascal Hedelt. Wolken und Ozon könnten die Auswertung beeinträchtigen. Außerdem lasse sich im ersten Schritt nur die horizontale Ausbreitung ermitteln, nicht aber die vertikale Verteilung in den verschiedenen Luftschichten. Die Auswertungen zeigen, dass die Emissionswolken die meiste Zeit von den bisher dominierenden Westwinden um die Arktis herum verfrachtet wurden. Anhand der Messungen am Boden und aus dem Erdorbit können Forscher die bisherige Schwefeldioxid-Emissionsrate grob abschätzen. Aus den Angaben mehrerer Institute geht hervor, dass sie bisher in einer Größenordnung von 200 bis 1000 Kilogramm Schwefeldioxid pro Sekunde lag.

Mehrere Institutionen – nicht nur auf Island – berechnen mit dem Computer, wie sich das Gas ausbreitet. Mit solchen Simulationen beschäftigt sich etwa Hendrik Elbern vom Forschungszentrum Jülich in Nordrhein-Westfalen. Nach seiner Einschätzung muss man die simulierten Werte mit Vorsicht betrachten. Es sei noch schwierig, ausreichend genau zu ermitteln, wie viel Schwefeldioxid in welche Höhe geblasen wird. Ebenso ist unklar, wie viel Schwefeldioxid während des Transports in der Luft durch Regen ausgewaschen wird oder zum Beispiel in ungiftige Sulfataerosole umgewandelt wird.

Genutzt werden solche Berechnungen vom Volcanic Ash Advisory Center in London, der offiziellen Institution zur Beratung der Luftfahrt in dem Gebiet. Bisher ist keine Vulkanasche entstanden, aber in hohen Konzentrationen beeinträchtigt auch Schwefeldioxid die Luftfahrt. Das ist beim Bárdarbunga noch nicht der Fall. Für Gesundheitswarnungen bei erhöhten Messwerten sind die jeweiligen Umweltämter zuständig. Eine internationale Institution, die Ausbreitungsrechnungen vulkanischen Schwefeldioxids für ganz Europa veröffentlicht, um offiziell vor gesundheitlichen Gefahren zu warnen, gibt es derzeit nicht.