Seit Monaten wird über eine Reform der Tarifstrukturen des VVS diskutiert. Die SPD macht sich nun für eine große Lösung stark.

Stuttgart - Die SPD in der Stadt und in der Region Stuttgart erwartet von der Sitzung des Aufsichtsrats des Verkehrsverbunds Stuttgart (VVS) an diesem Dienstag einen entscheidenden Schritt in Richtung einer großen Tarifreform. Mit dem von CDU, Grünen und SPD im Gemeinderat vereinbarten Mobilitätspakt, der nur noch eine Zone im Stadtgebiet vorsieht, und der in der Regionalversammlung vorherrschenden Meinung, künftig auf die Sektoren zu verzichten, ist nach Ansicht von Martin Körner, SPD-Fraktionschef im Gemeinderat, die Linie vorgegeben. „Der Ball liegt auf dem Elfmeterpunkt, der OB muss ihn nur noch reinmachen“, sagt Körner. Rathauschef Fritz Kuhn (Grüne) ist VVS-Aufsichtsratsvorsitzender, zudem leitet er als Chefaufseher der SSB AG das neben der DB Regio wichtigste Verkehrsunternehmen innerhalb des VVS.

 

Fraktionen senden Signal an andere Partner

Dass sich im VVS in Sachen Tarif – außer der jährlichen Preiserhöhungen – etwas tut, zeichnet sich schon seit einigen Wochen ab. Anfang des Jahres gab es ein Tarifsymposium des VVS, das von mehr als 100 Stadt-, Kreis- und Regionalräten besucht wurde. Mitte Februar begab sich der VVS-Aufsichtsrat in Tarifklausur. Zeitgleich verschärfte sich die Lage im Autoverkehr: Nachdem die Feinstaubalarme nicht die gewünschten Erfolge brachten, sind von 2018 an Fahrverbote für Diesel unterhalb der Euro-6-Norm in der Innenstadt auf dem Plan der Landesregierung, von 2020 an könnten die Verbote sogar für ganz Stuttgart gelten.

Vor diesem Hintergrund haben sich CDU, Grüne und SPD im Gemeinderat zu einem, wie sie es – etwas hochtrabend – nennen, „Bündnis für Mobilität und Luftreinhaltung“ zusammengeschlossen. Eine der zentralen Maßnahmen in diesem Pakt ist eine Neuregelung der VVS-Tarifstruktur. „Die Fraktionen setzen sich für die Umsetzung der ,Ein-Zonen-Struktur‘ für Stuttgart ein – und das zu einem Fahrpreis, der sich an dem bisherigen Preis einer Zone orientiert“, heißt es in dem interfraktionellen Antrag. Damit soll der öffentliche Nahverkehr attraktiver werden, „weil einfacher und vor allem günstiger.“

Zugleich erklären sich die Fraktionen, die über eine deutliche Mehrheit im Gemeinderat verfügen, dazu bereit, „jährlich einen Millionenbetrag aus dem städtischen Haushalt in den ÖPNV zu investieren“, heißt es in dem Antrag. Wenn im Stadtgebiet nur noch eine Zone gilt, wird mit einem Einnahmeausfall von deutlich mehr als zehn Millionen Euro gerechnet, den die Stadt nach dem Willen der Fraktionen abdecken soll.

Doch damit nicht genug: Die Fraktionen senden auch ein Signal an die anderen Partner im VVS aus – neben den Verkehrsunternehmen sind das vor allem die Landkreise Böblingen, Esslingen, Ludwigsburg und Rems-Murr sowie der Verband Region Stuttgart. Sie hätten die „dringende Bitte“, dass diese „ebenso zur Steigerung der Attraktivität des ÖPNV durch Veränderungen der Tarifstruktur beitragen“. Damit kommt der Wegfall der Sektorengrenzen ins Gespräch. Zudem könnte das Stadtgebiet auch für Pendler von außerhalb zu einer Zone erklärt werden. „Von der Ein-Zonen-Regelung in Stuttgart müssen alle profitieren“, fordert Körner. Er rechnet damit, dass diese Maßnahmen für Pendler und weitere Fahrgäste zu Einsparungen beim Fahrpreis von zehn bis zwanzig Prozent führen würden. „Wir dürfen von 2018 an nicht nur Fahrverbote verhängen, sondern brauchen vor allem ein gutes Angebot für den Umstieg vom Auto in Bahnen und Busse“, sagt der SPD-Fraktionschef.

Abschaffung der Feinstaubtickets?

Damit spricht er sich auch gegen das bisherige Feinstaubticket aus, das während des vergangenen halben Jahres wegen der zahlreichen Alarmtage dem Vernehmen nach Kosten von rund zehn Millionen Euro verursacht hat. Sie werden je zur Hälfte vom Land und von den Verkehrsunternehmen getragen. Darüber, wie es künftig an den Feinstaubalarmtagen weitergeht, berät der VVS ebenfalls heute, auch im SSB-Aufsichtsrat war das bereits ein Thema.

Es gibt viele Stimmen im Nahverkehr, die für eine Abschaffung der Sonderregelung eintreten, andere denken an eine Änderung: Statt dem Kinderpreis für Einzelfahrscheine und Vierertickets soll es ein verbilligtes Tagesticket geben. Davon hält Körner indessen wenig, er plädiert für eine Abschaffung des Feinstaubtickets, das zudem viele Abo-Kunden des VVS verärgert habe, weil sie nicht in den Genuss der Verbilligung gekommen sind. Das eingesparte Geld – zehn Millionen Euro – solle für die „nachhaltige Tarifreform“, die wohl 30 Millionen Euro jährlich kostet, verwendet werden, der Rest könnte von der Stadt und den Kreisen kommen: „Da ist es besser investiert, weil alle ÖPNV-Nutzer das ganze Jahr über etwas davon haben.“