Am Dienstag hat Oberbürgermeister Fritz Kuhn verkündet, dass er eine 1,9-prozentige Tariferhöhung beim VVS vorschlagen werde. Dieser Plan löst Proteste aus – bei SPD und Linken in der Regionalversammlung.

Stuttgart - Die Proteste sind pünktlicher als die Züge der Deutschen Bahn: Schon wenige Stunden nach der Ankündigung von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne), dass er im Verkehrsverbund eine Tariferhöhung von 1,9 Prozent zum 1. Januar 2018 vorschlagen werde, haben SPD und Linke in der Regionalversammlung ihre Ablehnung signalisiert. Mehr noch: Die Parteien versuchen offenbar, in der Region, also auch in den Kreistagen, und im Gemeinderat ein breites Bündnis gegen die Tarifsteigerung zu schmieden. Das komplizierte Verfahren erschwert einen Stopp der Tariferhöhung aber, wenn sie erstmals den Aufsichtsrat der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) passiert hat – und damit ist zu rechnen. Kuhn ist Vorsitzender des SSB- und VVS-Aufsichtsrats.

 

Kompliziertes Verfahren

Und so funktioniert vereinfacht dargestellt das Verfahren: Innerhalb des VVS werden die Kostensteigerung bei den Verkehrsbetrieben ermittelt. Sie sind durchaus unterschiedlich. Bei Bahnen spielt auch der Strompreis eine Rolle, bei Bussen der Dieselpreis. Die dann ausgehandelte Erhöhung wird von den Verkehrsunternehmen im VVS alleine beschlossen, für die SSB muss der Aufsichtsrat zustimmen. Wenn danach die Kreise oder andere Aufgabenträger eine geringere oder gar keine Steigerung wollen, müssen sie – neben weiteren Voraussetzungen – bereit sein, die durch die Erhöhung prognostizierten Mehreinnahmen dem VVS aus der eigenen Kasse auszugleichen. Für 2018 wären das 9,5 Millionen Euro. Deshalb hat es zumeist keine direkten Folgen, wenn in den politischen Gremien wie Regionalversammlung und Kreistagen gegen die Erhöhung gestimmt wird, ohne dass zugleich ein Votum für die Kostenübernahme erfolgt. Dennoch kündigt sich eine breite Debatte über die Tariferhöhung für 2018 an.

SPD erwartet Nullrunde

Mit „Enttäuschung und Ablehnung“ hat SPD-Regionalrat Thomas Leipnitz auf die Ankündigung von OB Kuhn reagiert, der die Fahrpreise „unbeirrt“ anheben wolle. „Ich hatte eigentlich erwartet, dass es 2018 angesichts der von der grün-schwarzen Landesregierung geplanten Fahrverbote in Stuttgart eine Nullrunde gibt. Denn was wir angesichts dieser drastischen Maßnahme am allerwenigsten brauchen, ist ein weiteres Drehen an der Preisschraube“, kritisierte Leipnitz. Zudem habe der VVS immer mehr Fahrgeld eingenommen, als es allein die prozentuale Steigerung erwarten ließ. „Es wäre also genug Geld in der Kasse, um angesichts eines erwartbaren weiteren Fahrgastzuwachses und damit weiterer Einnahmesteigerungen durch die Fahrverbote auf eine Tariferhöhung zu verzichten.“

In der Frage der Tarifzoneneinteilung, bei der die Einzonenregelung in Stuttgart und der Wegfall der Sektorengrenzen in den Außenringen erst zum 1. Januar 2019 realisiert werden, wirft Leipnitz dem Oberbürgermeister ein „uninspiriertes Weiter-so“ vor. Dadurch dass die Einzonenregelung nur für Fahrten innerhalb Stuttgarts gelte, seien Einpendler nach Stuttgart und Fahrgäste, die von Ludwigsburg nach Esslingen oder von Waiblingen nach Böblingen wollten, die Verlierer. „Sie werden von der Tarifreform nicht profitieren und haben die Fahrpreiserhöhung zu tragen“, sagte Leipnitz.

Die Linken-Fraktion in der Regionalversammlung will vor der Sommerpause einen Antrag einbringen mit dem Ziel, die Fahrpreiserhöhung zu verhindern. Dies sei Teil einer gemeinsamen Aktion in den Kreistagen und im Stuttgarter Gemeinderat, sagte Christoph Ozasek, Vorsitzender der Regionalfraktion. Auf die Einschätzung von OB Kuhn, es handle sich um eine moderate Erhöhung, entgegnete er, dass sich der VVS-Tarif zwischen 2006 und 2017 um durchschnittlich 2,9 Prozent pro Jahr erhöht habe. „Das liegt weit über der allgemeinen Reallohn- und Preisentwicklung.“ Ingo Mörl, Regionalrat der Piraten und Mitglied der Linken-Fraktion, bezeichnete es als „eine Frechheit gegenüber der verspätungs- und ausfallgeplagten S-Bahn-Kundschaft, für dauernde Schlechtleistung ständig mehr Geld zu verlangen“.

Linke plant gemeinsame Aktion in Kreisen

Die Linke fordert, dass die Landesregierung die Nahverkehrsabgabe ermöglicht, was bislang am Veto der CDU scheitert. Sie kritisiert, dass die Fahrgäste mit 60,5 Prozent die Hauptlast der VVS-Finanzierung tragen würden, hier müsse wieder eine 50-Prozent-Quote zwischen öffentlicher Hand und VVS-Nutzern erreicht werden.