Der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) plant, die Fahrpreise zum 1. Januar 2016 um 2,5 Prozent zu erhöhen. Im Verkehrsausschuss der Region Stuttgart ist darüber kontrovers diskutiert worden.

Stuttgart - Trotz Bedenken und Änderungswünschen wird der Verband Region Stuttgart die Fahrpreissteigerungen im Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) zum 1. Januar 2016 um 2,5 Prozent mittragen. Das ist das Ergebnis der regionalen Verkehrsausschusssitzung am Mittwoch. Dort lehnten SPD, Linke und FDP die Erhöhung ab, die Grünen enthielten sich. Allerdings können die Regionalräte an der von den Verkehrsunternehmen SSB, Bahn und Busbetrieben festgelegten Steigerung nichts ändern (siehe „Wie werden die VVS-Fahrpreise festgelegt?“).

 

Dennoch betont der Verband in seiner Stellungnahme, dass „die vorgesehene Tariferhöhung von 2,5 Prozent sich aus regionaler Sicht am Rande dessen bewegt, was aus Kundensicht preislich vertretbar ist“. Wie berichtet erwarten die im VVS vertretenen Verkehrsunternehmen dadurch Mehreinnahmen in Höhe von 11,4 Millionen Euro. Sie begründen dies mit höheren Kosten, die bei der städtischen Stuttgarter Straßenbahn AG (SSB) mit drei Prozent von 2013 zu 2014 höher ausgefallen sind als bei Bahn (2,7 Prozent) und Busunternehmen (0,4 Prozent) – was vor allem auf höheren Personalkosten bei der SSB beruht. Weil die auf dieser Basis ermittelten Fahrpreiserhöhungen ihren Mehraufwand nicht decken, ließ die SSB eine Arbeitsgruppe einrichten. Sie soll das Berechnungsmodell überprüfen, das aus Sicht der Region jedoch „transparent und grundsätzlich geeignet ist“.

Politiker sehen „schwierige Marktlage“ für den Nahverkehr

Aber schon jetzt weist die Region auf die „schwierige Marktlage“ der Bahnen und Busse im Nahverkehr hin: drastisch gesunkene Benzinpreise und hohe Pkw-Zulassungszahlen machten den Autoverkehr attraktiver. Zudem warnt die Region, dass „es keinen Automatismus“ gebe, dass höhere Tarife direkt zu mehr Einnahmen führten. Andere Verbünde überlegten deshalb, ihre Preise nicht zu erhöhen. Dies forderten auch die Gegner der Preissteigerung, zumal angesichts der Probleme der S-Bahn. „Für Menschen mit kleinem Geldbeutel sind die Tickets nicht mehr bezahlbar“, sagte der SPD-Regionalrat Thomas Leipnitz. Ihm entgegnete der Freie-Wähler-Regionalrat Bernhard Maier: „Wer keine Steigerung will, muss sagen, wie er die Deckungslücke schließt. Dazu habe ich nichts gehört.“

Grundsätzlich begrüßten die Regionalräte, dass die Steigerungen bei den Mehrzonentickets, also für lange Fahrten, unterdurchschnittlich ist. Nicht einverstanden ist die Region aber damit, dass der Preis des Kurzstreckentickets von 1,20 auf 1,30 Euro erhöht werden soll. Stattdessen solle der Einzelfahrschein für zwei Zonen zehn Cent teurer werden – von 2,80 auf 2,90 Cent. Dies wäre aus Sicht der Fahrgäste im Umland gerechter, argumentiert die Region.

Der VVS will den Preis für das Zwei-Zonen-Einzelticket konstant halten, weil dieser Fahrschein das gesamte Stuttgarter Stadtgebiet abdeckt. „Im Hinblick auf die vergleichsweise günstigen Ticketpreise in anderen Großstädten halten wir das für angemessen“, sagte der VVS-Geschäftsführer Horst Stammler. Beide Vorschläge der Region sind in VVS-Gremien bereits abgelehnt worden und werden wohl auch in den entscheidenden Sitzungen am 8. Juli keine Mehrheit finden.

Azubiticket und Tarifzonen sollen geprüft werden

Auch ein Antrag der Grünen für ein Teilzeitticket hat wohl momentan keine Chancen. „Viele Berufstätige, die Kinder haben, arbeiten in Teilzeit. Für jemanden, der nur zwei oder drei Tage in der Woche arbeitet, gibt es bis jetzt kein attraktives Abo-Angebot“, erläuterte die Regionalrätin Eva Mannhardt. Der VVS lehnt ein solches Teilzeitabo jedoch aus Gründen der Tarifübersichtlichkeit ab. Es sei nicht möglich, für jeden Einzelfall eine Individualtarifierung vorzunehmen, erklärte Stammler. Eine tageweise Abrechnung und Rabattierung sei nach der Einführung des E-Ticketing aber durchaus möglich. „Wir stehen hinter dem Ansinnen des Vorschlags“, sagte er.

Bessere Chancen hat die Forderung der Grünen, das während der Elternzeit eine Unterbrechung des Abos oder die Rückgabe des Jahrestickets gegen Erstattung des Restwerts ermöglicht wird. Eine solche Regelung werde möglicherweise schon ab 2016 umgesetzt, sagte Stammler. Auch ein Azubiticket und die Neugestaltung der Tarifzonen würden geprüft, meinte er.

Wie werden die VVS-Fahrpreise festgelegt?

Grundsätze
Der VVS ist ein Mischverbund. Dort sind die öffentliche Hand, also das Land, die Region Stuttgart, die Kreise Böblingen, Esslingen, Ludwigsburg und Rems-Murr sowie die Stadt Stuttgart als sogenannte Aufgabenträger vertreten, aber auch die Verkehrsunternehmen Deutsche Bahn, SSB und die regionalen Busbetriebe. Stuttgart hat eine entscheidende Stellung, weil sie auch Besitzerin der SSB ist. Der Fahrpreis wird in zwei Schritten festgelegt.

Erster Schritt
Die Verkehrsunternehmen legen die grundsätzliche Höhe und den Zeitpunkt einer Tarifsteigerung fest. Dabei müssen sie die Kostenentwicklung berücksichtigen. Falls eine Mehrheit der öffentlichen Hand eine geringere Erhöhung will, muss sie die Differenz den Unternehmen ausgleichen.

Zweiter Schritt
Die öffentliche Hand befindet über die Verteilung der Erhöhung auf die einzelnen Tickets. So kann sie „politische“ Ziele verfolgen – etwa einen Anreiz für das Firmenticket setzen, um mehr Beschäftigte zum Umsteigen zu bewegen. Weil auf Zehncent- oder volle Eurobeträge auf- oder abgerundet wird, liegt die Erhöhung im Einzelfall unter oder über der prozentualen Vorgabe.