In den vergangenen zwei Jahren ist die Zahl der Dieselautos in der Region Stuttgart deutlich gestiegen. Experten und Händler erwarten nun ein Ende dieses Trends.

Stuttgart - Der ausufernde VW-Skandal hält auch Autofahrer und Händler in der Region weiter in Atem. Viele rechnen jetzt damit, dass die Selbstzünder bei vielen Autokäufern in Ungnade fallen könnten. „Das ist ein unglaublicher Skandal zum Nachteil der Verbraucher“, sagt auch Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) zu den VW-Praktiken in den USA. Es sei „notwendig, dass die Glaubwürdigkeit von Verbrauchsangaben der Hersteller grundsätzlich erneuert und verbessert wird“.

 

Zulassungen: Zuwachs nur durch Selbstzünder

In den vergangenen Jahren waren Fahrzeuge mit Dieselmotor bei der sparsamen schwäbischen Kundschaft hoch im Kurs. Von Januar 2013 bis Anfang 2015 stieg die Zahl der in der Region zugelassenen Fahrzeuge von 1,49 Millionen auf 1,53 Millionen Stück. Im gleichen Zeitraum verringerte sich die Zahl zugelassenen Benziner leicht von 1,009 auf 1,008 Millionen Fahrzeuge. Die Zulassungen bei den Selbstzündern stiegen hingegen von 466 042 im Januar 2013 auf 510 272 Wagen Anfang 2015. „Der Zuwachs in den vergangenen Jahren ist dem Diesel zu verdanken“, heißt es denn auch in der Branche. Viele Pendler aus der Region bevorzugten die Selbstzünder wegen des geringen Treibstoffverbrauchs.

Das könnte sich ändern. Obermeister Torsten Treiber von der Kraftfahrzeuginnung Region Stuttgart hält die Kunden ebenso für Opfer wie die Betriebe. „Was da gelaufen ist, haben die Händler nicht zu vertreten.“ Allerdings müssten die VW-Kollegen die Machenschaften des Konzerns ausbaden. Sie treffe es als erste, wenn die Kunden verärgert seien. „Die rufen nicht die VW-Manager an, sondern das Autohaus um die Ecke.“ Auch für die Kraftfahrzeuginnung sei die VW-Affäre sehr schlimm, weil man sich in der Region Stuttgart über Jahre hinweg mit Pilotprojekten stark für die Verbesserung der Luftqualität engagiert habe. „Der Stuttgarter Kollege Bernhard Schäufele hat sich in Sachen Nachrüstung mit Rußfiltern als Feinstaubpapst einen Namen gemacht“, so Treiber. „Jetzt muss er für VW den Kopf hinhalten.“

Doch wegen der zu hohen Stickoxidwerte kommen auf den Diesel schwere Zeiten zu. „Das Land drängt schon seit Längerem auf die Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte“, sagt Verkehrsminister Winfried Hermann. Man habe bereits vor dem VW-Skandal eine Initiative für die Verkehrsministerkonferenz am 8. und 9. Oktober auf den Weg gebracht. Das Ziel seien neue Abgasvorschriften und mobile Messungen unter realistischen Bedingungen im Straßenverkehr. Wegen des von Brüssel eingeleiteten Verfahrens wegen zu hoher Feinstaub- und Stickoxidwerte in Stuttgart habe man ein „ambitioniertes Gesamtkonzept“ – etwa Tempo 40 an Steigungsstrecken – auf den Weg gebracht, um den Stickoxid-Grenzwert bis 2021 einzuhalten.

Trickserei beim Abgas schon immer ein Thema

Das gilt bei der Landeshauptstadt als ehrgeiziges Ziel. „Die Stickoxidwerte in Stuttgart sind an Straßenabschnitten mit einer Gesamtlänge von 100 Kilometern zu hoch“, sagt der Klimatologe Rainer Kapp. Mit rund 80 Mikrogramm je Kubikmeter Luft liege der Jahresgrenzwert um das Doppelte über dem zulässigen Limit.

„Der Skandal ist schlimm für VW“, sagt der Katalysator-Pionier Paul Wurm, der in 30 Jahren mehr als 35 000 Benziner mit Drei-Wege-Kats nachgerüstet hat. Er hoffe, dass keine anderen Hersteller in ähnlicher Weise tangiert seien. „Aber die Trickserei beim Abgas war schon immer ein Thema, auch beim Drei-Wege-Kat.“ Deshalb hätten seine Kunden auch stets ein Wurm-Zertifikat über „ein geregeltes Abgas-Reinigungssystem ohne Trickschalter“ erhalten.