Die Porsche Holding hat die Mehrheit bei VW. Seit dem Abgang Piëchs fehlt aber ein Repräsentant, kommentiert StZ-Wirtschaftsredakteur Michael Heller.

Stuttgart - Hans Dieter Pötsch muss sich mächtig geschmeichelt fühlen. Unter allen Umständen sollte der bisherige Finanzchef zum Aufsichtsratsvorsitzenden gemacht werden, und das ist er nun geworden – obwohl beim Wechsel aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat eigentlich eine Karenzzeit von zwei Jahren vorgesehen ist, und obwohl ihn nicht die Wahl der Aktionäre, sondern die Bestellung durch ein Gericht in den Aufsichtsrat gebracht hat. Es scheint, als habe der Aktionärsschützer Ulrich Hocker von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) recht, der das Vorgehen zu Wochenbeginn allen Ernstes mit einem „übergesetzlichen Notstand“ verteidigt hatte; Tenor: Pötsch ist alternativlos.

 

Gewiss stand gegenwärtig kein anderer Kandidat zur Diskussion, aber das hat weder etwas mit Notstand, noch mit fehlenden Alternativen zu tun. Es hat etwas mit dem System Volkswagen zu tun, mit der geschlossenen Gesellschaft in Wolfsburg. Unter dem Einfluss der Politik und der IG Metall hat sich Europas größter Autohersteller zu einem Konzern entwickelt, in dem die steuernde Hand des Mehrheitsaktionärs nicht sichtbar ist. Die Porsche Holding hält die Mehrheit, hat aber seit dem Rückzug des 78-jährigen Ferdinand Piëch von der Bühne niemanden mehr, der den Eigentümer verkörpern kann. Ein Vakuum, das Pötsch, der offensichtlich das Vertrauen der Familie hat, nun ausfüllen muss.

Skepsis ist angebracht, denn der 64-Jährige vermag nicht so frei zu agieren, wie es ein Kontrolleur eigentlich können müsste. Der Finanzchef Pötsch hat im Abgasskandal die Börsen sehr spät informiert. Ob zu spät oder nicht, ist offen, aber der Anschein spricht klar gegen Pötsch. Zwar stellt niemand die persönliche Integrität des Wirtschaftsingenieurs in Frage, aber dem bisherigen Herrn der Finanzen kann auch niemand einen Blankoscheck ausstellen, dass er garantiert nichts von dem Betrug gewusst hat – was ja übrigens auch für Vorstandschef Matthias Müller gilt, der einst zum engsten Kreis um seinen Vorgänger Martin Winterkorn gehörte. Da kein Mitglied der Familie zur Verfügung stand, hätte VW einen unabhängigen Chefkontrolleur suchen müssen – so wie es etwa bis 2002 Ex-Ruhrgas-Chef Klaus Liesen war.