Martin Reck aus Stuttgart-Vaihingen fertigt seit fast 40 Jahren in seiner Freizeit Schwerter, Dolche und Messer aus der Kelten- und Alamannenzeit an. Seine wichtigste Zutat: höchste Konzentration.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Mittelalter – das ist Martin Reck viel zu modern. Seine historischen Messer, Dolche, Lanzen und Schwerter, die er in der kleinen Werkstatt im Souterrain seines Hauses in Rohr in monatelanger Handarbeit herstellt, haben viel ältere Vorbilder. Vergleichbare Waffen haben einmal keltische oder alamannische Krieger geführt, stammen also aus der Zeit 500 nach Christus oder wesentlich davor. Reck fertigt sie als maßstabsgetreue Repliken an, die man jederzeit im Kampf einsetzen könnte. „Schnittfähig“ seien sie, sagt der Fachmann. Was man dagegen im Internet meist an historischen Schwertern beziehen könne, sind für Reck „rustikale Eisenprügel“.

 

Es ist ein ziemlich ausgefallenes Hobby, das der 66-Jährige seit nunmehr fast 40 Jahren betreibt. Schaut man sich aber sein Leben an, wirkt es fast zwangsläufig. Denn zum einen hat Martin Reck vor langer Zeit den Beruf des Gießerei-Modellbauers erlernt. Für jedes Metallstück, vom Türgriff bis zum Schiffsmotor, musste vor der Serienproduktion ein Modell angefertigt werden. Genau das machte Reck in einer Firma in Bad Cannstatt. „Wir mussten mit einer Toleranz von zwei Zehntel Millimeter feilen lernen“, erinnert sich Reck: „Wir haben gefeilt und gehobelt, bis uns die Haut von den Händen fiel.“

Zum anderen hat es Martin Reck schon immer in die Natur hinausgezogen. Er übernachtet gerne im Wald, hackt sich das Holz fürs Lagerfeuer selbst – und horcht den Geschichten nach, wie die Menschen einst überlebt haben, als sie noch keine Zentralheizung und keinen Supermarkt hatten. Irgendwann war er mit seinem Outdoor-Messer nicht mehr zufrieden, das war 1978, und so fertigte er sein erstes eigenes Stück. Das Eisen dafür nahm er von einer alten Feldhaue in Rohr.

Auf manches Rohmaterial muss man zwei Jahre warten

Seither hat er ungefähr 300 Messer und Schwerter hergestellt. Die Vorlagen nimmt er meist aus wissenschaftlichen Büchern, während er den benötigten Stahl vorwiegend aus zwei Quellen bezieht. Entweder schmiedet ihm ein Freund aus Heslach alte Blattfedern von Mercedesautos gerade, oder für sehr hochwertige Schwerter kauft er die Platten bei deutschlandweit renommierten Schmieden – wie bei Stefan Roth in Braunschweig. Dafür zahle man dann aber teils vierstellige Summen und müsse ein bis zwei Jahre auf die Lieferung warten.

Es handelt sich in einem solchen Fall um den legendenumwobenen Damaststahl, bei dem mehrere Schichten Stahl und Eisen feuerverschweißt und immer wieder gefaltet wurden. Damast erhält dadurch ein jeweils unverwechselbares Muster auf der Klinge, und er zeichne sich dadurch aus, dass die Waffen sowohl hart als auch extrem scharf sind. Viele Schwerter früher waren nur eines von beiden, jene der Germanen zum Beispiel seien nach dem zweiten Hieb verbogen gewesen, sagt Martin Reck. Die filigranen Schwertkämpfe des frühen Mittelalters, die man oft im Kino sehe, habe es deshalb nie gegeben: „Die Taktik lautete ‚Drauf und Schluss’; man musste den Gegner gleich ausschalten, zu längeren Kämpfen taugte die Waffe nicht.“

Die Schneide darf beim Feilen nicht zu heiß werden

Vom Rohmaterial – es handelt sich um rechteckige dünne Stahlplatten – schrubbt Reck zunächst mit der Flex die Schmiedehaut ab, dann wird mit dem Winkelschleifer die grobe Form des Messers oder Schwerts ausgefräst. Nun beginnt die Handarbeit mit der Feile – eine Maschine könnte den Stahl so heiß werden lassen, dass der darin enthaltene Kohlenstoff verbrennt; dann würde die Schneide zu weich, und die Waffe wäre nichts mehr wert.

An einem Schwert feilt Martin Reck manchmal sechs Monate lang, jeden Tag mehrere Stunden. Man brauche höchste Konzentration und immer den richtigen Bewegungsablauf dafür, sagt Martin Reck, denn jeder falsch angesetzte Winkel würde zu Kratzern führen. Eine Zeit lang hat Martin Reck als Bestatter gearbeitet, da brauchte er abends einen Ausgleich, um manche Bilder aus dem Kopf zu bekommen. „Zwei bis drei Stunden feilen, das ist wie eine Zen-Übung“, meint Martin Reck: „Dabei vergisst man alles.“

Manche Waffen nutzt er selber, wenn er mit historischen Gruppen zu Schaukämpfen unterwegs ist; mit seinen längeren weißen Haaren und dem Bart geht er jederzeit als Druide durch. Manche Schwerter verkauft er auch. So langsam aber will er sein Hobby an den Nagel hängen, denn das jahrzehntelange Feilen habe an ihm deutliche körperliche Spuren hinterlassen. Doch stets erhält er eine neue Anfrage, und dann feilt und poliert er in seiner Werkstatt doch wieder, bis die Waffe seiner Meinung nach perfekt ist. Vorher hört Martin Reck nicht auf: „Ich habe schließlich mittlerweile einen Ruf in Deutschland zu verlieren.“